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Funktionsweise von Städtenetzen in der Raumplanung

Autor: Anton Sölch
Arbeitstyp: Seminararbeit
Fachbereich: Raumplanung, Technische Universität München
Leitung: Prof. Dr. Bruno Dietrichs
Erstellung: Juli 1996
 

Gliederung

1. Ursprung

2. Vorbilder

3. Aufgaben und Vorgehensweise

4. Zielvorstellungen

5. Einsatzgebiete

6. Literaturverzeichnis

 

1. Ursprung

Städtenetze bedeuten eine Kooperation verschiedener Städte innerhalb eines Netzes oder Verbundes. Sie sind eine Antwort der Raumordnung auf die zunehmende Notwendigkeit zu interkommunaler und regionaler Zusammenarbeit. Dabei bieten sie "ein neues, umsetzungs- und problemorientiertes Instrumen-tarium der Raumordnung, das in Ergänzung des bestehenden raumordnerischen Systems zu sehen ist" (Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 1995; S. 13). Eine Erklärung der Bundesregierung von 1993 stellt den Ursprung für Städtenetze in der deutschen Raumplanung dar. Demnach gewinnt der Ausbau der städtischen Vernetzung in der neueren raumordnerischen Diskussion - auch im europäischen Maßstab - an Bedeutung. "Verdichtungs-räume/´Stadtregionen´ stehen in einem zunehmenden Leistungsaustausch und spezialisieren sich in ihren Funktionen mit dem Vorteil gegenseitiger Verstärkung von ökonomischen und infrastrukturellen Effekten (sog. Synergieeffekte)" (Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 1995; S. 13). Städtenetze bedeuten aber nicht Zersiedlung und Landschaftszerstörung, sondern gegliederte Vernetzung einer bestimmten Region als Konzept zur Weiterent-wicklung des Raumes, wobei dies auch für ländliche Räume gilt (vgl. Bundes-ministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 1993; S. 4).

Im Vorwort des aktuellen Landesentwicklungsprogramm Bayern erklärt der Bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber die Vernetzung der verschie-denen Teilräume als Landesaufgabe, so daß sie im Verbund leistungsfähige Standorteinheiten bilden und gemeinsam wettbewerbsfähig sind. Demnach wird Bayern umso konkurrenzfähiger, je effektiver das Land und seine Teilräume im Innenverhältnis funktionieren (vgl. Aigner 1996; S. 9).
 

2. Vorbilder

Der Begriff ´Netzwerke´ wird in verschiedensten Bereichen verwendet. In der Regel geht es dabei um ein gegenseitiges ´Sichern, Halten und Ergänzen unterschiedlicherer Charaktere´. Netzwerke unter deutschen Städten sind nicht erst seit dem Mittelalter bekannt, als Beispiele wären der Rheinische Bund, der Schwäbische Bund oder die Hanse zu nennen (vgl. Aigner 1996; S. 7). Die Hanse war im Mittelalter die Bezeichnung für die genossenschaftliche Vereinigung norddeutscher Kaufleute, die gemeinsame Handelsinteressen und gegenseitige Unterstützung pflegten.

Auch in der heutigen Zeit findet der Gedanke der Vernetzung vermehrt Anwen-dung. In der Raumplanung ist der Begriff ´Städtenetze´ relativ neu. Vorbild ist die Schweiz, in der der Verbund von Zentren wie Zürich, Genf oder Bern schon einige Jahre angewendet wird (vgl. Geyer 1994; S. 74). Der Grund für die Herausbildung von diesen Städtenetzen ist eine Steigerung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber den großen europäischen Metropolen der EU. Die einzelnen Städte übernehmen dabei arbeitsteilig unterschiedliche Spitzen- und Schlüsselfunktionen und bilden gemeinsam einen städtischen Raum mit insgesamt metropolem Charakter. Dabei bleibt die Vielfalt der vorhandenen Zentrenstruktur erhalten.

Die eigentlichen Vorbilder für die Entwicklung räumlicher Netze kommen aber aus der Wirtschaft (vgl. Geyer 1994; S. 75). Dort orientieren sich neue Produktions- und Unternehmenskonzepte wie lean production und just-in-time-Produktion immer stärker an ausgeprägte zwischenbetriebliche Kooperationen. Dabei wird das logistische System perfektioniert, um die Konkurrenzfähigkeit auf dem Markt zu verbessern. Insgesamt entstehen dadurch moderne Betriebsstrukturen, die ausschließlich auf Effektivität und Rentabilität ausgerichtet sind.
 

3. Aufgaben und Vorgehensweise

Die Ministerkonferenz für Raumordnung sieht in Städtenetzen "einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland und seiner Regionen sowie zur Stärkung der dezentralen Raum- und Siedlungs-struktur in Deutschland" (Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 1995; S. 13). Städtenetze sollen verschiedene Aufgaben übernehmen und tragen wesentlich zur Umsetzung dieser raumordnerischen Ziele bei. Im europäischen Maßstab stehen nicht mehr einzelne Räume miteinander in Konkurrenz, sondern ganze Regionen. Die Sicherung der Konkurrenzfähigkeit des Standortes Deutschland soll durch Schaffung leistungsfähiger Gegengewichte zu den Metropolräumen der EU geschehen. "Die Herausbildung von Metropolen und Europolen sowie die Verstärkung der Konkurrenzsituation zwischen ihnen trägt zur Aufwertung der Verdichtungsräume bei" (Maier und Weber 1994; S. 102).

Der Wettbewerb der Regionen im europäischen Binnenmarkt erfordert eine Ausbildung differenzierter Standortqualitäten, die wiederum nur durch verstärkte innerregionale Zusammenarbeit möglich werden. "Regionale Zusammenarbeit ist zur Standortsicherung und -vorsorge für Arbeitsplätze, Wohnen und Umwelt-vorsorge eine dringende raumordnerische Zukunftsaufgabe" (Aigner 1996; S. 18). Durch Bündelung unterschiedlicher Begabungen und Standortbedingungen sollen sich Synergie- und Ausgleichseffekte für die Partner der Städtenetze und die Region insgesamt entwickeln. Dies kann durch Spezialisierung, Arbeitsteilung und Leistungsaustausch ermöglicht werden. Insgesamt sollen sich die Lebensbedin-gungen für die Bevölkerung der Städte und der umgebenden Region dadurch verbessern. Außerdem können zusätzlich Entwicklungsimpulse über die engeren Regionalgrenzen hinausreichen.

Für die Realisierung eines ausgewogenen Interessensausgleichs ist eine freiwillige Zusammenarbeit und Hierarchiefreiheit der beteiligten Akteure eine Voraussetzung. "Freiwilligkeit gewährleistet das Einverständnis mit dem Verfahren, der gemeinsamen Entscheidungsfindung und erleichtert so das Denken in Alternativen. Hierarchiefreiheit gewährleistet die ausgewogene Berücksichtigung aller vorgetragenen Argumente" (Adam 1994; S. 517). Kooperation statt Konkurrenz, gemeinsame Zielorientierung und gemeinsames Handeln mit einer Planung von unten her sollen dies mit sich bringen. "Die zu untersuchenden Kooperationsformen sollen die vorhandenen überörtlichen Planungsstrukturen um flexible, projekt- und umsetzungsorientierte Elemente ergänzen" (Adam 1994; S. 517).

Dabei soll Schritt für Schritt vorgegangen und geplant werden. Kooperations-motive und -ziele lassen sich nicht von Anfang an bestimmen und in ihrem Rahmen festlegen. "Leitbilder, Themen und konkrete Projekte der Kooperation entwickeln sich parallel" (Zeck 1996; S. 28). Daraus ergibt sich eine besonders innovative Kraft und ein Lerneffekt für alle beteiligten Städte.

Städtenetze sind keine neue Planungsebene, sondern ein Instrument der Raumordnung innerhalb des Zentrale-Orte-Systems. Im Gegensatz zur strengen hierarchischen Ordnung mit strikter Funktionszuweisung werden bei Städtenetzen Kooperationen und Arbeitsteilungen vielfach sinnvoll genutzt. Dadurch können planerische Aufgaben flexibler umgesetzt werden.
 

4. Zielvorstellungen

Verschiedenste Ziele können sich durch Städtenetze erreichen lassen. Ein Hauptziel stellt dabei Kostenreduktion und Effizienzsteigerung dar. Der Grund liegt in der derzeit schwachen, stark rückläufigen und angespannten Lage der öffentlichen Haushalte. Die Planung gemeinsamer Projekte (z.B. eines Gewerbe-gebiets) kann Kosten senken bzw. für zusätzliche Entwicklungsimpulse über die Regionalgrenzen hinaus sorgen. Daneben wird ein verbesserter Ressourcen-schutz durch Nutzung vorhandener Raumpotentiale und Umweltschutz (z.B. durch Erfahrungsaustausch) angestrebt. Insgesamt soll eine Förderung regionaler Entwicklungsprozesse eingeleitet werden. Dabei wird ein Leistungsaustausch zwischen Verdichtungsräumen und den umliegenden Regionen angestrebt bzw. sollen bestehende räumlich-funktionale Verflechtungen ausgebaut werden. Dadurch können bessere großräumige Infrastrukturen geschaffen werden bzw. die vorhandenen Infrastrukturen effizienter und sinnvoller genutzt werden. Durch Struktur- und Stärken-/Schwächen-Analysen wird dies ermöglicht. Häufig kann eine sinnvolle und effizientere Nutzung verschiedener Einrichtungen schon durch Funktionsteilung erreicht werden.

Es läßt sich festhalten, daß eine Entfaltung von Standortvorteilen von Stadt-regionen angestrebt wird. Dabei soll jede einzelne Stadt innerhalb eines Städtenetzes und die gesamte Region ihre eigene Identität erhalten. Die Sicherung der Lebens-, Standort- und Umweltqualität des vernetzten Raumes steht dabei an oberster Stelle.

Das Konzept der Städtenetze ist besonders geeignet für kleinere Städte, "um dort Ressourcen zu bündeln und die Ausstattungsqualität durch einen abgestimmten öffentlichen Mitteleinsatz zu verbessern, ohne daß die beteiligten Städte ihre Individualität aufgeben" (Priebs 1994; S. 537) müssen. Dadurch können auch strukturschwächere, periphere Räume dem Trend zur wirtschaftlichen Konzen-tration auf die großen Metropolen und Wirtschaftsräume entgegenwirken (vgl. Maier 1996; S. 1).
 

5. Einsatzgebiete

Verschiedene Einsatzgebiete innerhalb von Städtenetzen sind denkbar bzw. werden bereits innerhalb von Zweckverbunden genutzt:

  • Infrastrukturplanung
  • Flächenplanung
  • Wirtschaftsförderung
  • Kultur-, Sozial-, Bildungs- und Fremdenverkehrspolitik

Ein Hauptfeld stellt eine gemeinsame Infrastrukturplanung dar. Dabei ist ein Einsatz z.B. bei der Energieversorgung, Wasserver-/entsorgung, Abfallwirtschaft und Verkehr denkbar. Beim Verkehr ist v.a. der Ausbau von Schienenverbin-dungen und die Vernetzung von Städteknoten durch den ÖPNV sinnvoll. Dabei sollen nicht nur die vorhandenen Netze stärker genutzt werden, sondern neue Tangentialverbindungen geschaffen werden. Ebenso kann ein überregionaler Ausbau des Straßennetzes Nutzen bringen.

Die Flächenplanung stellt ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet für Städtenetze dar, z.B. bei der Baulandausweisung für Gewerbegebiete. Dem kommt in Deutschland eine wichtige Bedeutung zu, da die Gewerbesteuer ein wichtiges Finanzierungsinstrument für die einzelnen Gemeinden ist. Da Bauland zunehmend knapper wird, muß der zukünftig absehbare zusätzliche Flächen-bedarf für Wohnen, Gewerbe und Infrastruktur so sparsam wie möglich bereit-gestellt werden. "Die Strategie interkommunaler Gewerbegebiete beispielsweise ist ein bestehender Ansatz, der geeignet ist, überproportionalen Flächenaus-weisungen infolge zwischengemeindlicher Konkurrenzstrategien entgegenzutreten und stattdessen Flächenbedarfe, aber auch finanzielle und Verwaltungs-kapazitäten zu bündeln und den Erschließungs- und Infrastrukturaufwand zu verringern" (Adam 1994; S. 518). Dadurch lassen sich Flächenmangel, Frei-raumschutz, Geldmangel bzw. finanzielle Überforderungen einzelner Gemeinden umgehen.

Innerhalb von Städtenetzen gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Wirtschaft zu fördern. Man kann beispielsweise durch Einrichtung von Technologiezentren oder durch gemeinsame Marketing-Aktivitäten gezielt Standorte fördern bzw. können sich kooperierende Städte durch verstärkten Technologie-Transfer und Erfah-rungsaustausch (z.B. beim Umweltschutz) gegenseitig unterstützen. Dadurch lassen sich fachliche/technische Defizite beseitigen bzw. eventuelle Ausgaben einsparen und die ganze Region kann davon profitieren (vgl. Geyer 1994; S. 78).

Bei der Kultur-, Sozial- und Bildungs- und Fremdenverkehrspolitik sind verschie-dene Kooperationsformen sinnvoll. Eine gegenseitige Stärkung der Gemeinden ist z.B. durch Zusammenarbeit bei Kongressen und durch gemeinsame Darstellung auf Ausstellungen und Messen denkbar. Mit Hilfe von City-Marketing und Konzep-ten für eine Förderung von Städtetourismus innerhalb des Städteverbundes könnten Mehreinnahmen erreicht werden. Ein kultureller Austausch bei gemein-samen Veranstaltungen, Schüleraustausch oder der Zusammenarbeit von Fach- oder Hochschulen könnte für das Bildungssystem dieser Region förderlich sein.

Daneben gibt es eine Reihe weiterer Einsatzgebiete von Städtenetzen, die sinnvoll erscheinen. Für genauere Aussagen müssen jedoch konkrete Beispiele aus existierenden Städtenetzen herangezogen werden. Dies ist jedoch nicht Ziel dieser Arbeit. Insgesamt läßt sich festhalten, daß Städtenetze innerhalb der Raumplanung nach Meinung des Verfassers eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden und im Zuge steigender Konkurrenz können einige vernetzte Städte einen Bedeutungsgewinn erlangen.
 

6. Literatur

Adam, Brigitte (1994): "Städtenetze - Ein neues Forschungsfeld des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus"; in: Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.); Informationen zur Raumentwicklung; Heft 7/8; S. 513-520

Aigner, Rupert (1996): "Städtenetze im oberzentralen Bereich - das Beispiel LaRoSa"; in: Universität Bayreuth (Hrsg.); Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und Landesplanung; Heft 150; Bayreuth; S. 7-22

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.) (1993): "Städtenetze"; in: Raumordnungspolitischer Orientierungsrahmen - Leitbilder für die räumliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland ; S. 4-6

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.) (1995): "Städtenetze"; in: Raumordnungspolitische Handlungsrahmen; Beschluß der Ministerkonferenz für Raumordnung in Düsseldorf am 8. März 1995; S. 13-21

Geyer, Thomas (1994): "Städtenetze - ein neues Instrument der Regional- und Landesplanung?"; in: Domhardt, H.J. und Jacoby, C. (Hrsg.); Raum- und Umweltplanung im Wandel; Selbstverlag der Universität Kaiserslautern; S. 73-84

Maier, Jörg (1996): "Städtenetze und interkommunale Kooperation - Notwendigkeiten, Grenzen und mögliche Handlungsanleitungen"; in: Universität Bayreuth (Hrsg.); Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und Landesplanung; Heft 150; Bayreuth; S. 1-6

Maier, Jörg und Weber, Wolfgang (1994): "Interkommunale Kooperation und Städtenetze - neue Strategien der Regionalplanung zur Entwicklung ländlicher Räume"; in: Domhardt, H.J. und Jacoby, C. (Hrsg.); Raum- und Umweltplanung im Wandel; Selbstverlag der Universität Kaiserslautern; S. 101-111

Priebs, Axel (1994): "Städtenetze im Planungsraum Bremen/Niedersachsen"; in: Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.); Informationen zur Raumentwicklung; Heft 7/8; S. 531-540

Zeck, Hildegard (1996): "Städtenetz im mittelzentralen Bereich - das Beispiel des Städtequartetts Damme-Diepholz-Lohne-Vechta"; in: Universität Bayreuth (Hrsg.); Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und Landesplanung; Heft 150; Bayreuth; S. 23-32

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