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Informelle Arbeitsleistungen - Formen, Ursachen und Problematik Autor: Anton Sölch Gliederung 1. Grundlegende Erläuterungen 2. Ursachen für den Bedeutungsgewinn der informellen Arbeit 3. Folgen für den Sozialstaat 4. Die besondere Situation der Zivildienstleistenden
1.1 Definition der informellen Arbeit Nach allgemeiner Bedeutung definiert sich Arbeit als das Produkt aus der Kraft und dem in Richtung der Krafteinwirkung von einem Körper zurückgelegten Weg. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird derselbe Begriff mit jeder auf ein wirtschaftliches Ziel gerichteten menschlichen Tätigkeit beschrieben (vgl. Mehling 1995; S. 52). Dagegen wird in der Sozial- und Wirtschaftswissenschaft Arbeit i.d.R. gleichgesetzt mit formeller Erwerbsarbeit. Doch seit den siebziger Jahren erfährt der Arbeitsbegriff infolge der Frauenbewegung eine Ausweitung auf Tätigkeiten außerhalb der Erwerbsarbeit. Hauptkritik war v.a. "die Beschränkung von ´Arbeit´ auf das institutionelle Gehäuse der betrieblichen Erwerbsarbeit und die damit offenbar implizierte Herabsetzung der ´Hausarbeit´" (Heinze & Offe 1990; S. 7). Mittlerweile wurden durch sozialwissenschaftliche Untersuchungen über das Zeitbudget privater Haushalte diverse ´nutzen-stiftende´ unbezahlte Tätigkeiten wie Haushaltsarbeiten, Nachbarschaftshilfen und ehrenamtlichen Tätigkeiten identifiziert, die man nicht zur formellen Erwerbsarbeit rechnen kann, sondern unter informelle Tätigkeiten klassifiziert. Der Begriff der informellen Arbeit entspricht selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und freiwilligen Tätigkeiten, die nicht den Marktmechanismen bzw. betrieblichen Herrschaftsverhältnissen unterliegen und im Gegensatz zur formellen Arbeit ohne direktes monetäres Entgelt erbracht werden. "Die Arbeitsleistungen können für Zwecke des eigenen Haushalts oder für Leistungs-empfänger außerhalb des eigenen Haushalts erbracht werden" (Badelt 1990; S. 111-112). Dabei werden informelle Arbeitsleistungen durch den Staat gefördert und subventioniert, indem eine geeignete und rechtlich-institutionelle Infrastruktur bereitgestellt wird ohne dafür zusätzliche Abgaben und Steuern zu erwarten. Formelle und informelle Arbeit sind direkt voneinander abhängig. Einkommen aus der Erwerbsarbeit stellen die Grundlage für unentgeltliche Tätigkeiten dar, außerdem ist die formelle Ökonomie gar nicht mehr existenzfähig ohne informelle Aktivitäten wie Selbstversorgung oder Nachbarschaftshilfen. "Viele der informell geleisteten Arbeiten sind zwar für die formelle Ökonomie von erheblicher Bedeutung, werden aber bei der Diskussion über die formelle Erwerbsarbeit zumeist nicht berücksichtigt" (Teichert 1988 a; S. 7). Informelle Arbeit stellt keinen neuen Begriff dar, sondern bedeutet er eine Rückbesinnung auf alte Werte, als Arbeit nicht mit dem Ziel nach Bezahlung bzw. Entlohnung gleichzusetzen war. "In den vorindustriellen Gesellschaften West- und Mitteleuropas war das informelle Wirtschaften in Form des ´ganzen Hauses´, vor allem bei den Bauern, vorherrschend" (Teichert 1988 b; S. 26). Durch Subsistenzwirtschaft war man weitgehend wirtschaftlich unabhängig, die einzelnen Arbeitsbereiche wurden auf die verschiedenen Familienmitglieder nach ´Eignung´ aufgeteilt, d.h. Männer waren für landwirtschaftliche und handwerkliche Aufgaben zuständig, Frauen für die Hausarbeit. Erst die Ende des 18. Jahrhunderts einsetzende industrielle Revolution hat die endgültige Trennung zwischen formeller und informeller Arbeit begründet. Mit Hilfe von technischen Neuerungen, d.h. durch ´arbeitserleichternde´ und produktivitätsfördernde Maschinen, konnte die Arbeitsteilung intensiviert werden. Zunehmende Landflucht war die Folge steigender Arbeitsplatzangebote in den Städten. "Hier fanden die Menschen in Manufakturen und in ersten Fabriken Arbeitsmöglichkeiten und Geldeinkommen" (Teichert 1988 b; S. 27). Die Selbstversorgungswirtschaft wurde zunehmend durch die Markt- und Fremdversorgungswirtschaft ersetzt, die Eigenarbeit wurde zugunsten von Warenproduktion verdrängt. Das durch formelle Arbeit erwirtschaftete Geld wurde gegen Waren auf den Gütermärkten ´getauscht´. 1.2 Hauptformen der informellen Arbeit Informelle Arbeitsleistungen lassen sich in drei Hauptformen untergliedern: in Produktions- und Arbeitsleistungen im Haushalt und der Familie, Tätigkeiten in sozialen Netzwerken und sonstige soziale Dienstleistungen. Gemeinsam ist all diesen Tätigkeiten, daß Arbeitsleistungen ohne direktes monetäres Entgelt erbracht werden. 1.2.1 Haushaltstätigkeiten Die Produktions- und Arbeitsleistungen im Haushalt und in der Familie sind die am weitesten verbreiteten Formen von informeller Arbeit, denn sie fallen in jedem Haushalt täglich an. Da diese Arbeiten i.d.R. nicht bezahlt werden, rechnet man sie zu den informellen Arbeitstätigkeiten. "Obwohl in der Bezeichnung ´Hausarbeit´ der Begriff ´Arbeit´ implizit enthalten ist, wurde den Haushaltstätigkeiten oft nicht zugestanden, daß es sich um Arbeit im engeren Sinn handelt" (Glatzer 1990; S. 17). Die verschiedenen Versorgungsarbeiten im Haushalt erfolgen personen- oder güterbezogen. Ziel ist das Erreichen eines subjektiven Wohlbefindens jedes Einzelnen innerhalb der Haushaltsmitglieder bzw. der Familie. Unter personenbezogene Eigenarbeitstätigkeiten fallen z.B. Pflege von Familienmitgliedern und Erziehung der Kinder. Die Hauptlast wird i.d.R. durch Frauen getragen, die die allgemein üblichen und häufig täglich anfallenden Aufgaben der Haushaltswirtschaft zu leisten haben. Darunter fallen u.a. auch folgende güterbezogenen Tätigkeiten wie Einkaufen, Kochen, Waschen, Bügeln und Wohnungspflege. Handwerkliche Tätigkeiten wie Instandhaltung, Reparatur-, Renovierungs-, Gartenarbeiten und Herstellung von Gebrauchsgegenständen werden dagegen häufiger von Männern erledigt. Im Zuge stärkerer Beteiligung des weiblichen Geschlechts am Erwerbsleben erfahren Frauen aber eine zunehmende Teilentlastung durch Aufgabenverteilung auf Mann bzw. auf die Kinder. Selbstversorgung der einzelnen Familienmitglieder, Hilfsmittel (z.B. durch Küchengeräte) und Einsatz bezahlter Dienstleistungen (z.B. durch bezahlte Haushaltshilfen und Putzfrauen, Getränke- und Pizzalieferanten) stärken diese Entwicklung. Insgesamt sinkt die Bedeutung persönlich geleisteter Haushaltsarbeit durch vermehrte Dienst-leistungsangebote kontinuierlich. Nach einer Umfrage von 1980 werden die typischen Tätigkeiten wie Einkaufen, Kochen, Putzen und Waschen beinahe komplett selbst erledigt, wobei diese Zahlen bis heute leicht abgenommen haben. Dagegen werden nur rund zwei Drittel der handwerklichen Haushaltstätigkeiten (Wartung, Reparatur, Gartenarbeit etc.) selbst durchgeführt. Bezahlte oder auch unentgeltliche Hilfen durch Freunde oder Verwandte nehmen innerhalb des Haushalts einen sehr kleinen Teil ein. Bei rund ein Viertel aller anfallenden handwerklichen Arbeiten werden also noch immer bezahlte Dienste in Anspruch genommen. Tabelle 1: Die Häufigkeit von Eigenarbeit, Netzwerkhilfe und marktwirtschaftlicher Versorgung bei ausgewählten güterbezogenen Tätigkeiten im Jahr 1980 (Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1980; N=2396)
1.2.2 Soziale Netzwerke Soziale Beziehungen erfahren infolge der Industrialisierung grundsätzliche Veränderungen. "Die Tendenzen zur Individualisierung in der modernen Industriegesellschaft haben einen Strukturwandel von Verwandtschaft, Nachbarschaft und Freundschaft herbeigeführt" (Pieper 1990; S. 226). Durch den zunehmenden Trend nach kleineren Haushalten (Singlehaushalte), verbreiteter Kinderlosigkeit (allgemein ist in Deutschland ein Rückgang der durchschnittlichen Familiengröße festzustellen), abnehmenden Eheschließungen bei gleichzeitig hohen Scheidungsquoten, verstärkter räumlicher Mobilität und einer insgesamten Loslösung vom Gedanken der traditionellen Großfamilie ist dies zu erkennen. Die Ursachen liegen allgemein im Wertewandel und speziell in der insgesamt steigenden Erwerbstätigkeit in den letzten Jahrzehnten. Tabelle 2: Anteil und Wandel der Haushaltsgrößen 1900 und 1985 (Datenbasis: Stat. Bundesamt 1987) 1900 (in %) 1985 (in %) Einpersonenhaushalte 7 34 Zweipersonenhaushalte 15 30 Dreipersonenhaushalte k.A. 17 Vierpersonenhaushalte k.A. 13 Fünfpersonenhh. und größer 44 6 durchschnittl. Haushaltsgröße 4,5 Personen 2,3 Personen Quelle: nach Ostner 1988; S. 114; eigene Zusammenstellung Eine Ausdünnung der traditionellen Familien- und Verwandschaftsstrukturen, innerhalb derer i.d.R. altgewordene Angehörige gepflegt wurden, ist zunehmend zu beobachten. "An die Stelle dieser alten Strukturen treten ... informelle Netzwerke, die solche Funktionen übernehmen" (Schiff 1995; S. 3). Diese sozialen Netzwerkhilfen unter Verwandten, Freunden, Nachbarn und Kollegen faßt man unter dem Begriff der Nachbarschaftshilfen zusammen, wobei Selbstorganisation und Selbstversorgung noch immer im Vordergrund stehen. Diese Nachbarschaftshilfen können den privaten Haushalt als Institution ergänzen. Die häufigsten Hilfsformen sind aus folgender Tabelle zu ersehen. Tabelle 3: Verschiedene Formen von sozialen Netzwerkhilfen neben der Berufs- und Hausarbeit im Jahr 1984 (Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1984, N=2067 Haushalte) unbezahlt (in %) bezahlt (in %) Hilfe bei Verwandten 18,6 0,8 Hilfe bei Freunden/Bekannten 18,2 1,0 Hilfe bei Nachbarn 12,7 0,6 Quelle: nach Glatzer 1990; S. 24; eigene Bearbeitung Nachbarschaftshilfen erfahren v.a. seit den sechziger Jahren ein großes Wachstum, als infolge des ´Wirtschaftswunders´ Haus- und Autobesitz anstiegen und Hilfeleistungen untereinander populär wurden. Außerdem konnte man durch die Verfügbarkeit neuer Werkzeuge vermehrt auf gelernte Spezialisten verzichten und sich stattdessen untereinander helfen (mehr dazu in Abschnitt 2.2). Nachbarschaftliche Beziehungen beruhen nicht rein auf räumliche Nähe, sondern auf dem Bemühen nach positiver sozialer Beziehung zu seinem Umfeld. Der Schwerpunkt solcher Hilfsleistungen liegt bei Verwandten und bei Freunden. Insgesamt sind solche Beziehungen auf dem Land stärker ausgeprägt als in urbanisierten Räumen. Tabelle 4: Unbezahlte freiwillige Nachbarschaftshilfen im Jahr 1983 (Anteile in %) (Datenbasis: Deimer u.a. 1983; N=2427 Haushalte) bei Verwandten bei Nachbarn bei Freunden Autoreparatur 4,7 2,1 6,1 Gartenarbeit 13,3 4,5 4,9 Renovierung 17,3 3,2 11,1 Umzug 14,6 3,3 13,6 Hausbau/Umbau 8,4 2,0 5,5 Kinderbetreuung 16,3 8,6 10,3 Krankenbetreuung 11,2 4,9 4,2 Hilfe bei perönl. Problemen 18,7 8,2 20,6 Quelle: nach Teichert 1988 b; S. 41; eigene Bearbeitung 1.2.3 Soziale Dienstleistungen Neben den bisher genannten informellen Arbeitsfeldern gibt es einen weiteren Bereich von informellen Dienstleistungen, die speziell für den Sozialbereich von großer Bedeutung sind. In diese Gruppe fallen Tätigkeiten wie Pflege, Beratung, Betreuung, Erziehung und Engagement in Selbsthilfegruppen. Dabei muß man zwischen organisierten und unorganisierten Leistungen unterscheiden. Die organisierten sozialen Dienstleistungen werden i.A. durch kollektive Einrichtungen betreut, wobei die Arbeit hauptsächlich auf hilfsbedürftige Personen wie Kinder, Pflegebedürftige, Kranke oder alte Menschen bezogen ist. Daneben gibt es diverse unorganisierte freiwillige Hilfsleistungen, die v.a. nach persönlichem Willen und Ermessen ausgeführt werden. Solche soziale informelle Tätigkeiten stellen einen sehr wichtigen Zweig innerhalb des sozialen Pflegesystems dar, denn die "moderne Kleinfamilie ist manchen Postulaten zufolge nicht mehr in der Lage, solche Dienste zu erbringen" (Glatzer 1990; S. 23). Mit Hilfe von freiwilligen Hilfsleistungen können alte oder behinderte Personen vor Ort betreut werden, die sonst nur in Pflegeheimen ausreichend versorgt würden. Dadurch können diese häufig ein nahezu eigenständiges Leben im privaten Haushalt führen. Tabelle 5: Die Häufigkeit von Eigenarbeit in der Pflege im Jahr 1984 (Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1984; N=2061 Haushalte) Behinderte oder Pflegebedürftige im Haushalt 9% nahe Verwandte in Heim- oder Pflegeeinrichtungen 7% Quelle: nach Glatzer 1990; S. 23; eigene Bearbeitung Eine ähnliche Funktion erfüllen die sonstigen ehrenamtlichen Tätigkeiten unterschiedlichster Formen, beispielsweise in Vereinen, Ehrenämtern oder Bürgerinitiativen, bei denen keine finanziellen Interessen, sondern soziale Aspekte Bewegungsgründe sind. Tabelle 6: Verschiedene Formen von sonstigen informellen Tätigkeiten neben der Berufs- und Hausarbeit im Jahr 1984 (Anteile in %) (Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1984; N=2067 Haushalte) unbezahlt bezahlt ehrenamtl. Tätigkeit 9,8 0,4 land-/forstwirtschaftl. Tätigkeit 2,7 1,0 Gelegenheitsarbeit 2,1 3,0 Nebentätigkeit 1,5 4,6 Quelle: nach Glatzer 1990; S. 24; eigene Bearbeitung Nach Schätzungen der Bundesregierung sind zirka 615000 Jugendliche und Erwachsene (Stand 1994) in Jugendverbänden als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig (vgl. Junge Union 1995; S. 1). Solches ehrenamtliches Engagement bildet eine tragende Säule in der Jugendverbandsarbeit. Insgesamt läßt sich aber eine rückläufige Tendenz feststellen. "Gestiegene Anforderungen in Schule und Beruf sowie vermehrte Freizeitangebote führen dazu, daß junge Menschen immer weniger bereit sind, ehrenamtliche Ämter und Aufgaben zu übernehmen" (Junge Union 1994; S. 2). Die jungen Menschen suchen stattdessen immer häufiger nach mehr Eigenständigkeit und Privatleben. 2. Ursachen für den Bedeutungsgewinn der informellen Arbeit Verschiedenste Ursachen und Gründe spielen bei der Ausübung von informellen Tätigkeiten eine Rolle. Wie in Abschnitt 1 erklärt wurde, geben bisher zumeist private, soziale und persönliche Gründe den Ausschlag, ob man einer informellen Arbeit nachgeht. Doch führen steigende Lebenshaltungskosten und die allgemeine wirtschaftliche Situation zu weiteren unbezahlten Tätigkeiten, die zunehmend finanzielle Aspekte als Ursache haben.2.1 Haushaltstätigkeiten zur persönlichen Grundversorgung Der grundsätzlich auslösende Faktor für Haushaltstätigkeiten stellt die unmittelbare Befriedigung von (Grund-)Bedürfnissen für den eigenen Bedarf bzw. für die Familie dar. Außerdem dominiert das Selbstversorgungsprinzip. "Haushaltsarbeit gilt als das primäre Versorgungssystem neben den sekundären Systemen von Markt und Nicht-Markt" (Ostner 1988; S. 119). Die täglich anfallenden Arbeiten müssen zur Existenzsicherung ausgeführt werden. Wie in Abschnitt 1.1 ausgeführt wurde, sind formelle Arbeitsleistungen direkt abhängig von informellen Arbeitsleistungen. Erst vor dem Hintergrund steigender Lebenshaltungskosten können im Haushalt zusätzlich finanzielle Entlastungen durch informell getätigte Arbeiten angestrebt werden. Mehr dazu in Abschnitt 2.3. 2.2 Sinnerfüllung durch informelle Tätigkeiten Den klassischen Beweggrund für informell geleistete Hilfstätigkeiten stellen Befriedigungen von persönlichen (Grund-)Bedürfnissen dar. "Die Tätigkeit in einem Wohlfahrtsverband kann als ´Sinnerfüllung´ im Gegensatz zur sinnlosen und monotonen Welt der bezahlten Arbeit (oder gar der Arbeitslosigkeit) angesehen werden" (Badelt 1990; S. 108). Vielen Personen, die ihren Mitmenschen unentgeltlich helfen, ist oft gar nicht bewußt, welchen immateriellen Gewinn sie selbst aus ihrer Hilfeleistung ziehen. Helfer profitieren oft mehr als die Hilfs-empfänger. "Die Persönlichkeitsförderung der Helfer bezieht sich etwa auf Gebiete wie Zufriedenheit, Rehabilitation, Selbstkonzept oder Kompetenzerweiterung in bestimmten Bereichen" (Müller-Kohlenberg 1990; S. 212). Beispielsweise können Arbeitslose und unausgelastete Privatpersonen einer ´sinnvollen Aufgabe´ nachgehen und dadurch ein besseres Gefühl und Befinden vermittelt bekommen. Innerhalb von Selbsthilfegruppen ist dieses ´Geben und Nehmen´ der Grundbestandteil aller Therapien. Jeder Teilnehmer soll durch Selbsthilfe von den Erlebnissen und Ausführungen der anderen lernen und profitieren. Trotzdem lassen sich nicht alle informell geleisteten Hilfeleistungen dem ´Geben und Nehmen´-Muster zuordnen. Gerade in der Altenpflege, die einen hohen Personalaufwand erfordert, stellt den Staat vor finanzielle Probleme. Dies resultiert u.a. aus der insgesamt wachsenden Zahl alter Menschen infolge allgemein steigender Lebenserwartung und rückläufigen Geburtenziffern. Damit verbunden ist die Zunahme von Alterskrankheiten und chronischer Pflegebedürftigkeit . "So beansprucht das Problem der Pflegebedürftigkeit alter Menschen mehr als ein Drittel der Ausgaben für Sozialhilfe und hat zu einer Reorientierung auf das Subsidiaritätsprinzip und auf verwandtschaftliche und nachbarliche Unterstützungssysteme geführt" (Pieper 1990; S. 228). Die zugeteilten Mittel decken oft nicht mehr den tatsächlichen finanziellen Bedarf, um so manchen alten, kranken und gebrechlichen Menschen eine eigene Pflegekraft zu bezahlen. Somit müssen oft Personen aus dem Umfeld mit Hilfsmaßnahmen aushelfen, so daß diese alten Menschen weiter zu Hause bleiben und ein eigenständiges Leben führen können. Auf die spezielle Situation der Zivildienstleistenden innerhalb der sozialen Einrichtungen wird in Kapitel 4 speziell eingegangen. Eine weitere Form von informellen Tätigkeiten resultiert aus kritischen Einstellungen gegenüber kapitalistischen Markt- und Staatssystemen, öffentlichen Behörden und gewinnorientierten Firmen. Im Rahmen alternativer Wege soll das soziale Netzwerk unabhängig von staatlichen Fesseln durch unentgeltliche Hilfeleistungen gestärkt werden. Dabei geht es "um Versuche, Ansätze, Projekte, die an anderen Werten und Zielen fern der kapitalistischen und bürokratisch-industriellen Praxis orientiert sind und deren soziale Formen gemeinschaftsbezogene Strukturen erkennen lassen" (Mikl-Horke 1991; S. 324). In dieses Betätigungsfeld fällt u.a. persönliches Engagement zum Schutze der Umwelt, beispielsweise in Organisationen wie Greenpeace oder Robin Wood. Durch insgesamt steigendes Umweltbewußtsein genießt dieser Bereich regen Zulauf durch junge, freiwillige und ehrenamtliche Helfer. Viele dieser Vereine und Schutzorganisationen können überhaupt nur durch solche unentgeltliche Unterstützungen agieren. 2.3 Finanzielle Einsparmöglichkeiten Einen weiteren Bereich von informeller Arbeit haben finanzielle Einsparmöglichkeiten durch Selbstversorgung bzw. durch gegenseitige Hilfeleistungen mit Bekannten oder Verwandten als Ursache. Diese erfahren in den letzten Jahren eine steigende Bedeutung. Dies ist speziell eine Folge von wirtschaftlicher Stagnation und gesellschaftlichem Strukturwandel in den letzten Jahrzehnten. Verbesserte Produktivität durch neue Technologien und Rationalisierung lassen immer mehr Arbeitsplätze im formellen Arbeitsmarkt wegfallen. Dadurch wächst die Bedeutung der informellen Tätigkeiten, die sich "in einer neuen Arbeitsteilung zwischen formeller (´Markt´, ´Staat´) und informeller Ökonomie (Schattenwirtschaft, Eigenarbeit, Gemeinwirtschaft)" (Pieper 1990; S. 227) ausdrückt. In den achtziger Jahren stieg die strukturelle Arbeitslosigkeit infolge der wirtschaftlichen Problematik an und die öffentliche Hand schien in ihrer sozialen Fürsorgepflicht überfordert. Die Lohnnebenkosten und Abgaben kletterten an die Weltspitze, das Wirtschaftswachstum ging zurück. In den letzten Jahren sind die Lebenshaltungskosten schneller gestiegen als die Löhne. Außerdem hat die Wiedervereinigung durch den kostspieligen Aufbau-Ost die soziale Situation verschärft. Die Abgaben an den Staat haben ein Rekordniveau erreicht, die einzelnen Haushalte werden zu immer höheren Einsparungen gezwungen. "Seit 1980, klagt der Steuerzahlerbund, ist die Belastung der Arbeitenden mit direkten und indirekten Abgaben von 38,6 Prozent auf einen Spitzenwert von 46,1 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen" (o.A. 1996 b; S. 52). Gerade mal etwas mehr als 60% der erwerbsfähigen Bevölkerung ist im klassischen Sinn vollbeschäftigt gegenüber mehr als 80% vor 20 Jahren (vgl. Beck 1996; S. 140). Mittlerweile liegt die Arbeitslosenquote bei 10,3% (November 1996), offiziell suchen derzeit 3,942 Millionen Personen in Deutschland nach einer Arbeitsstelle. Daneben gibt es weitere Staatsbürger ohne Arbeit, die in der amtlichen Arbeitslosenstatistik nicht auftauchen. Darunter fallen Langzeitarbeitslose, Umschüler, durch ABM-Maßnahmen-Betroffene und die Frauen der stillen Arbeitsreserve. Mit der Arbeitslosigkeit wächst der Bedarf an informeller Arbeit zur Subsistenzsicherung. Eigene Produktivität und der ´Tausch von Dienstleistungen´ können steigende Lebenshaltungskosten abfangen. Gerade Arbeitslose, denen normalerweise mehr Freizeit zur Verfügung steht, können versuchen, "mehr Güter und Dienstleistungen in der Hauswirtschaft zu produzieren, da die Nachfrage nach Arbeitskräften in der formellen Ökonomie rückläufig" (Pahl 1990; S. 161) ist. Dadurch lassen sich die Lebensumstände erleichtern, da finanzielle Ausgaben reduziert werden können. Wie schon kurz in Abschnitt 1.2.2 erwähnt, ist das Wachstum von Selbstversorgungstätigkeiten auf einen zunehmenden Haus- und Autobesitz und auf die Verfügbarkeit von neuen Werkzeugen und ´Do-it-yourself´-Geräten zurückzuführen. Häufig resultieren informelle Tätigkeiten aus Aufgaben, die, ausgeführt durch bezahlte Fachmänner, eine Menge Geld kosten können. Durch selbständig erledigte Reparatur- und Handwerksarbeiten läßt sich dieses Geld oftmals leicht einsparen. Dies setzt jedoch neue Informations-, Qualifikations-, Beratungs- und Reparaturangebote im formellen Bereich voraus, beispielsweise durch Verbraucherinformationen, Hobby- und Bastlerzeitschriften. So wie die Massenmedien die passive Erholung bzw. Freizeit organisieren, so prägt die ´Do-it-yourself´-Industrie die informelle Arbeit (vgl. Jessen u.a. 1990; S. 76). Diese "gute Ausstattung vieler Haushalte mit Werkzeuggeräten erhöht das produktive Potential und ist vermutlich ebensooft Anlaß zu nachbarlichen oder anderen sozialen Kontakten" (Pieper 1990; S. 227). Um Zeit und Anstrengungen einzusparen helfen sich häufig Familienangehörige, Freunde und Nachbarn gegenseitig, sei es beispielsweise bei der Renovierung, bei Reparaturarbeiten oder beim Umzug. Für solche Hilfsleistungen wird normalerweise kein unmittelbares Entgelt bezahlt. Stattdessen gilt das Reziprozidätsprinzip. Dienstleistungen und Hilfen werden auf Basis einer Gutscheinwährung getauscht. Man erwartet sich daraufhin i.d.R. eine angemessene Gegenleistung, die z.B. mit einer Einladung zum Essen, einer Runde Bier in der Kneipe oder durch Babysitten beglichen werden kann. Früher tat man solche ´Gefallen´ hauptsächlich aus Freundschaft oder vergleichbaren Gründen. Heute sind diese gegenseitigen unbezahlten Hilfeleistungen zunehmend ein Mittel zur Kostenreduktion. Zum nächsten Schritt, die persönliche Situation durch Einkommen aus der Schattenwirtschaft zu verbessern, ist es dann häufig nicht mehr weit entfernt. Mehr dazu in den Abschnitten 3.2 und 3.3. Eine Sonderform stellen sogenannte Tauschbörsen dar, bei denen Dienstleistungen zwischen sich unbekannten Personen als Tausch vermittelt werden. Angebote wie "Suche Maler für Renovierungsarbeiten, biete Gartenarbeit, Rasenmähen oder Babysitten" stellen keine Seltenheit dar. Dabei werden entweder Vermittlungsgebühren an einen Ladenbesitzer bzw. Anbieter solch eines Tauschforums gezahlt, oder man setzt eine Kleinanzeige in entsprechende Zeitungen und Zeitschriften. Außerdem kann man noch den Weg eines Aushangs mit Angabe der Telefonnummer gehen. Bei solchen Tauschaktionen bekommt der Staat aber nicht die sonst anfallenden Lohn-, Mehrwertsteuern und Sozialabgaben. Dadurch verliert der Staat viel Geld, außerdem entsteht ein massiver Machtverlust, da ihm nötige Steuerungsinstrumente und restriktive Gesetze zu diesen Tauschgeschäften (noch) fehlen. 3. Folgen für den Sozialstaat Einerseits bringen informelle Tätigkeiten dem Staat v.a. kurzfristig Nutzen und Entlastung des Sozialwesens, andererseits können dem Staat dadurch sowohl kurz- als auch mittel- bis langfristig sehr viele Einnahmen entgehen.3.1 Entlastung der traditionellen Sozialpolitik Ursprünglich stellt die traditionelle Sozialpolitik eine Form von Unterstützung durch soziale Dienste unabhängig von Familie, Nachbarschaft oder Freunden dar. Soziale Dienste sind "Sozialleistungen, welche durch Steuern oder Versicherungsbeiträge finanziert und die Gebietskörperschaften oder besondere gesetzliche Einrichtungen im Rahmen der Sozialversicherungssysteme erbracht werden" (Gross 1983; S. 93). Jeder Bürger soll durch die Sozialpolitik in die Lage versetzt werden, sich in Notsituationen ausreichend mit notwendigen Gütern und Leistungen versorgen zu können. Ziel ist es, dadurch eklatante soziale Mißstände (z.B. bei Dauerarbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall oder Alterserscheinungen) abzufangen. In der Realität stellt sich die Lage etwas anders dar. In nahezu allen In-dustriestaaten ist in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten eine enorme Ausgaben- und Leistungsexplosion im Sozialwesen festzustellen. "Ohne freiwilliges Engagement für andere ... würden alle modernen Gesellschaften sofort zusammenbrechen" (Beck 1996; S. 144). Die deutsche Sozialpolitik wird durch den derzeit allgemeinen Finanzierungsengpaß und den Problemen zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien für die Währungsunion durch massive Sparprogramme deutlich beschnitten. Trotz steigender Nachfrage werden soziale Leistungen gekürzt und Pflegeleistungen eingeschränkt. Die unpopuläre Gesundheitsreform war wohl nur ein Anfang für den drastischen Sparkurs der Bundesregierung. Dadurch steigt die Nachfrage nach weiteren freiwilligen Hilfsleistungen deutlich an. Dabei kommt die Frage auf, ob die existierenden Institutionen der Sozialpolitik überhaupt noch in der Lage sind, die gegenwärtigen Probleme des Wohlfahrtsstaates zu bewältigen. Durch diese Finanzierungsproblematik und Kostenexplosion strebt die Politik nach attraktiven Einsparmöglichkeiten, die möglichst nur geringe bzw. keine Leistungs- und Qualitätskürzungen zur Folge haben. Aus diesem Blickwinkel können informelle Arbeitsleistungen in der derzeitig angespannten Situation eine deutliche Entlastung der staatlichen Finanzen darstellen. "Offen-sichtliche Ansatzpunkte, durch ´unbezahlte Arbeit´ Kosten einzusparen, sind im Gesundheitswesen - und hier vor allem in den Bereichen Pflege und Nachsorge - zu finden" (Badelt 1990; S. 110). Unmittelbare Einsparungsmöglichkeiten wären z.B. dadurch gegeben, wenn durch informelle Tätigkeiten im privaten Bereich Krankenhaus- und Altenheimbetten eingespart werden können. Außerdem ist die Qualität privater Hilfsleistungen häufig höher einzustufen als entsprechende durch staatliche Sozialdienste. Je mehr freiwillige Personen dazu bereit sind, anderen Menschen unentgeltlich zu helfen (z.B. durch Pflege, Einkaufen, sonstige soziale Dienste etc.), desto mehr wird der Staat finanziell entlastet. Denn die "privaten Haushalte werden ... als zentrale Instanz der Wohlfahrtsproduktion angesehen" (Merz & Wolff 1990; S. 30). Nach einer repräsentativen Umfrage über die Erwerbstätigkeit und Eigenarbeit in der Bundesrepublik Deutschland 1984 von C. Helberger, J. Merz und H. Schneider (vgl. Merz und Wolff 1990; S. 31) betätigt sich mehr als ein Viertel der Bevölkerung über 14 Jahre in Eigenarbeit, wobei hiermit nicht die ´normalen´ Haushaltstätigkeiten gemeint sind, sondern der darüber hinausreichende große Bereich der im Haushalt unbezahlten produktiven Arbeiten und Aktivitäten. Gar mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung gibt an, daß es sich in sozialen Netzwerken engagiert, wobei mehr Männer als Frauen diese Angaben machen. Tabelle 7: Aktivitätsspektrum Haupterwerb, Nebenerwerb, Eigenarbeit und soziales Netzwerk in der Bundesrepublik Deutschland 1984; Abgrenzung nach Zeitangaben (Anteile in %) (Datenbasis: Sfb 3 Nebenerwerbstätigkeitsumfrage 1984; N=7826 Haushalte) AKTIVITÄT gesamt Männer Frauen Haupterwerb 42 60 28 Nebenerwerb 9 10 8 Eigenarbeit 27 26 28 soz. Netzwerk 35 40 31 Quelle: nach Merz und Wolff 1990; S. 36; eigene Bearbeitung Diese doch erstaunlich hohen Zahlen geben wider, wie sehr der Staat durch diese informellen Tätigkeiten beeinflußt wird. "Eingebettet in soziale Netzwerke unternehmen private Haushalte vielfältige ökonomische Aktivitäten, Einkommen als wohlfahrtserhöhende monetäre Komponente zu erzielen" (Merz & Wolff 1990; S. 30). Insgesamt ist steigendes Engagement in ´unbezahlten Arbeiten´ sehr zu begrüßen, solange es sich um Erweiterungen bzw. Alternativen zu staatlichen Leistungen handelt. Dagegen dürfen sie nicht als Ersatz für öffentliche Institutionen und Leistungen herhalten, denn der Staat darf in seiner sozialen Fürsorgepflicht seine Aufgaben nicht auf private freiwillige Helfer abwälzen. Dies kann man auch damit begründen, daß die Leistungsfähigkeit von Nachbarschafts- und Selbsthilfeinitiativen trotz i.d.R. höherer Qualität in ihrer Verläßlichkeit und Kontinuität schwankend und schwer zu kontrollieren sind. 3.2 Einrichtung eines zweiten Arbeitsmarktes Angesichts der hohen und kaum rückläufigen Arbeitslosigkeit in Deutschland und dem unrealistischen Ziel nach Wiederherstellung von Vollbeschäftigung ist durchaus zu erwarten, daß immer mehr Menschen nach anderen Betätigungs- und Beschäftigungsfeldern suchen. Infolgedessen wird die Bedeutung informeller Tätigkeiten weiter steigen. Neben dem klassischen Arbeitsmarkt wird zunehmend ein zweiter Arbeitsmarkt mit diesen unbezahlten und abgabenfreien Tätigkeiten eingerichtet, der eine immer stärker werdende Konkurrenz für den ersten Arbeitsmarkt darstellt. Dabei "besteht gewiß wenig Anlaß zu einer vorbehaltlos positiven, gar gedankenlos romantisierenden Würdigung des ´autonomen´, ´befriedigenden´ und solidaritätsstiftenden Charakters von Tätigkeitsformen, die jenseits der Berufs- und Betriebsarbeit liegen" (Heinze & Offe 1990; S. 9). Grundsätzlich stellen Dienstleistungen, die unentgeltlich ausgeführt werden und in keiner Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfaßt werden, ein Problem für den Staat dar. Obwohl diese Leistungen einerseits dem Sozialwesen beträchtliche Einsparungen und Verbesserungen ermöglichen, entgehen dem Staat durch diese Tätigkeiten sehr viele Einnahmequellen, beispielsweise Lohnsteuer, Mehrwertsteuer, Solidarzuschlag und Sozialabgaben. Tabelle 8: Rechtlicher Status und Erfassung in Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung von formeller Arbeit, informeller Arbeit und Schattenwirtschaft rechtlicher Status Erfassung in VGR formelle Arbeit legal ja informelle Arbeit legal nein Schattenwirtschaft illegal nein Quelle: nach Teichert 1993; S. 62; eigene Bearbeitung Viele Arbeitsplätze scheinen durch den Trend zum zweiten Arbeitsmarkt gefährdet. Um diese paradoxe Entwicklung besser zu erklären, kann man die Problematik anhand eines Beispiels vereinfachend erklären: Berufsgruppen wie z.B. Hausmeister- und Putzdienste, die wenig Ausbildung und Können voraussetzen, werden deutlich zurückgehen, da deren Arbeitsleistungen vermehrt durch freiwillige Leistungen innerhalb von Hausgemeinschaften ersetzt werden. Dadurch gehen immer mehr Arbeitsplätze verloren, und die Zahl der Arbeitslosen steigt ebenso an wie die Kosten, die dadurch auf den Staat zukommen. Neben entstehenden Kosten für Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfen, Umschulungen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Sozialhilfe entfallen damit also die möglichen Einnahmequellen wie Lohnsteuer und Sozialabgaben. 3.3 Problematik durch die Schattenwirtschaft Von unvergüteten Versorgungsaktivitäten für Verwandte oder Bekannte ist es häufig kein weiter Schritt mehr zur Untergrundwirtschaft der Schwarzarbeit. "In fast allen westlichen Industriestaaten wächst der Bereich der sogenannten Schattenwirtschaft, jener Wirtschaftsleistungen, die sich dem staatlichen und sozialen Kontrollbereich entziehen" (Wolff 1983; S. 20). Darunter fallen Herstellung und Handel mit illegalen Gütern; Hehlerei, illegale Glücksspiele, Bestechung und eben illegale Leiharbeit (vgl. Heller 1988; S. 66). Diese illegalen Arbeitsangebote werden dem offiziellen Arbeitsmarkt zunehmend zur Konkurrenz. Dabei ist anzumerken, daß die Schattenwirtschaft eigentlich nicht zum informellen Sektor gerechnet werden darf. Sie "stellt insofern einen Teilbereich des formellen Sektors dar, als die Aktivitäten hier - ähnlich wie im formellen Sektor - mit dem Ziel erfolgen, sich zum ´normalen´ Einkommen steuerfrei ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften, mit dem das jeweilige Haushaltsbudget aufgebessert werden soll" (Teichert 1993; S. 65). Trotzdem muß hier auf die Schattenwirtschaft hingewiesen werden, da sie häufig aus informellen Tätigkeiten hervorgeht. Die Bedeutung ist v.a. seit Anfang der achtziger Jahre steigend. Die Ursache hierfür liegt in der wirtschaftlichen Stagnation und der damit verbundenen steigenden Arbeitslosigkeit. Infolge von Arbeitslosigkeit suchen sich viele Ersatzbetätigungsfelder zum Geldverdienen. Diese Tätigkeiten können günstiger offeriert werden, da man Abgaben wie Mehrwertsteuer, Sozialversicherungsbeiträge und Einkommenssteuer umgehen kann. Außerdem lassen sich außerdem aus der Sicht von zahlenden Kunden teilweise auch Zeitaufwand und Verwaltungsarbeit reduzieren. Häufig werden solche kriminellen Tätigkeiten auch durch professionelle und fertig ausgebildete Arbeiter nach Feierabend gegen (Schwarz-)Entgelt verrichtet. Oftmals werden entsprechende Schwarzarbeiten schon am Arbeitsplatz selbst, teilweise während der offiziellen Öffnungs- bzw. Arbeitszeiten geleistet. Die Bezahlung orientiert sich ebenso etwas unter den üblichen Marktpreisen, wobei auch hier die steuerlichen Nebenkosten eingespart werden. Beispielsweise bieten viele Autowerkstätten ihren privaten Kunden die Vergünstigung, den geleisteten Auftrag ohne Rechnung zu erfüllen, um die Mehrwertsteuer einzusparen. Häufig offerieren Handwerker unter der Hand Reparaturen nach Feierabend gegen ein entsprechendes Entgelt. "Selbständige haben sehr häufig die besten Möglichkeiten, selber ´außerhalb der Buchführung´ zu arbeiten oder Dritte auf einer ´Geld-auf-die-Hand´-Basis zu beschäftigen" (Pahl 1990; S. 159). Beispielsweise stellen die vielen ausländischen Hilfsarbeiter aus Billiglohnländern für den Arbeitsmarkt (z.B. in der Bauwirtschaft) durch ihre Dumpinglöhne (oft unter DM 10.- in der Stunde) eine ernstzunehmende Konkurrenz für die heimische Wirtschaft dar. Trotzdem: insgesamt zu viele Staatsbürger sind bereit "schwarz" zu arbeiten. 4. Die besondere Situation der Zivildienstleistenden 4.1 Ist Zivildienst eine informelle Tätigkeit?Eine besondere Konstellation in Deutschlands Sozialwesen ergibt sich aus der allgemeinen Wehrpflicht. Alle männlichen deutschen Staatsbürger müssen, wenn sie die entsprechenden gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllen, ihren zehnmonatigen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr leisten. Diesen ´Kriegsdienst mit der Waffe´ kann man unter Berufung auf das Grundgesetz Art. 4 Abs. 3 wegen Gewissensgründen verweigern. Dabei muß der Antragsteller ausführlich seine Beweggründe für diese Gewissensentscheidung in schriftlicher Form darlegen. Wird der Antrag durch das Bundesamt für den Zivildienst genehmigt, wird man als anerkannter Kriegsdienstverweigerer nach § 1 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes verpflichtet, anstelle des Wehrdienstes 13 Monate lang Zivildienst zu leisten. "Im Zivildienst werden Aufgaben erfüllt, die vorrangig im sozialen Bereich (z.B. in der Betreuung von Alten, Kranken und Behinderten (Mobiler Sozialer Hilfsdienst), in der individuellen Betreuung von Schwerstbehinderten, in Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten, Alten- und Altenpflegeheimen, Heimen für geistig und körperlich Behinderte sowie im Unfallrettungs - und Krankentransportdienst) liegen und die dem allgemeinen Wohl dienen. Der Zivildienst kann auch in anderen dem Allgemeinwohl dienenden Bereichen (z.B. im Natur- und Umweltschutz - einschl. Landschaftspflege -) geleistet werden" (Bundesamt für den Zivildienst 1990 a; S. 1). Nach Meinung des Verfassers fällt der Bereich des Zivildienstes aus zwei Gründen unter informelle Tätigkeiten. Erstens liegt dies an den Arbeitsfeldern ausschließlich in sozialen und dem Allgemeinwohl dienenden Bereichen. Zweitens erhalten die Zivildienstleistenden keinen richtigen Lohn, sondern mit monatlich rund DM 450.- Sold (gleichniedrig wie bei Militärdienstleistenden) nur eine Art Aufwandsentschädigung. Zusätzlich haben sie Anspruch auf Verpflegungs-, Kleidungs- und Reinigungsgeld (monatlich bis zu ca. DM 420.-), falls die Dienststelle die Zivildienstleistenden nicht komplett versorgt, und Entlassungsgeld in Höhe von DM 1500.- nach voller Dienstzeit. Den Sold bezahlt nicht die Dienststelle, sondern das Bundesamt für den Zivildienst. Da man von diesem Geld allein kaum überleben kann, fallen diese Arbeitsleistungen nach Auffassung des Verfassers unter gering bezahlte, freiwillige und soziale Tätigkeiten. Zivildienstleistende verrichten eine Vielzahl von sozialen Tätigkeiten. Vor allem die Pflege- und Betreuungsdienste, die sehr kosten- und personalintensiv sind, würde ohne die freiwilligen Zivildienstleistenden den Betrieb kaum aufrecht erhalten können. Da die Sozialpolitik aus Kostengründen immer mehr Pflegestellen beruflich ausgebildeter Betreuer streicht, nehmen die ersatzweisen Pflegeleistungen durch Zivildienstleistende zu. "Vielen Schwerstbehinderten wäre eine eigenständige Lebensführung nicht möglich, wenn Zivildienstleistende ... sie nicht rund um die Uhr unterstützen würden" (ASB 1996; S. 1). Außerdem ermöglichen sie v.a. alten und körperlich gebrechlichen Menschen z.B. durch Versorgungsfahrten und Essenslieferungen sowie durch stundenweise Betreuung ein Leben in den eigenen vier Wänden, unabhängig von Alten- und Pflegeheimen. Desweiteren können Pflegeeinrichtungen für Behinderte und Senioren, die durch ´unattraktive Arbeit´ und niedrige Verdienstaussichten akute Personalprobleme haben, durch Zivildienstleistende den Betriebsablauf sichern. Aus persönlicher Erfahrung des Verfassers ist das soziale System in Deutschland absolut abhängig von solchen freiwilligen Arbeitsleistungen der jungen Zivildienstleistenden. 4.2 Berufsarmee und soziales Pflichtjahr Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer steigt seit Jahren an. Während die Zahlen bis Ende der achtziger Jahre kontinuierlich auf rund 100000 Verweigerer kletterte (rund ein Drittel aller Wehrpflichtigen), waren dies 1991 beim bisherigen Höchststand (wegen des Ausbruchs des Golfkriegs) rund 151000. Die Zahl ging bis 1994 wieder leicht zurück auf rund 128000 (gegenüber 179000 Bundeswehrrekruten). Im letzten Jahr erreichte die Zahl mit rund 160000 Verweigerern einen neuen Höchststand. Damit wollten 1995 erstmals in der deutschen Geschichte "mehr junge Männer Zivildienst leisten als im selben Jahr ihren Grundwehrdienst bei der Bundeswehr absolvierten" (o.a. 1995). Rund 150000 Grundwehrdiener hatten 1995 die Bundeswehr durchlaufen. Durch diese Entwicklung wird der Ruf nach einer Berufsarmee (wie z.B. in Frankreich) und Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht immer lauter. Weil das Ende der Wehrpflicht zugleich das Ende des Zivildienstes bedeuten würde, schlägt die FDP ein ´soziales Pflichtjahr für alle´, also für junge Männer wie Frauen, vor (vgl. o.a. 1996 a; S. 29). Demgegenüber entgegnet die CDU, die an der bisherigen Wehrpflicht festhalten will, daß eine allgemeine Dienstpflicht unbezahlbar und mit zu großem bürokratischen Aufwand verbunden wäre. Außerdem wäre ein genereller Zwangsdienst für beiderlei Geschlecht nach dem Grundgesetz und internationalem Recht ausgeschlossen. "Um mehr als 700000 Dienstpflichtige beiderlei Geschlechts zu erfassen, zu mustern auszubilden und einzusetzen, müßte ein gigantischer Verwaltungsapparat aufgebaut werden. Denn die Kapazität der 96 Kreiswehrersatzämter und des Bundesamte für den Zivildienst reichen dafür bei weitem nicht aus" (o.A. 1996 a; S. 29). Allein die Kosten für jährlich 700000 Dienstpflichtige würden bei rund DM 21 Milliarden (!) liegen, wobei darin noch nicht der Ausfall an Steuereinnahmen und Sozialabgaben berücksichtigt ist. Desweiteren muß man den Produktionsausfall in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung durch die Zwangsdienste miteinkalkulieren, was einen weiteren zweistelligen Milliardenbetrag ausmachen würde. Daher käme dem Staat die Abschaffung der Wehrpflicht zugunsten ein sozialen Pflichtjahres für beiderlei Geschlecht bzw. einer Berufsarmee insgesamt deutlich teurer als es wohl Nutzen bringen würde. 5. Schlußbemerkung Diese Arbeit soll einen Einblick in die verschiedenen Formen informeller Arbeit geben und die Folgen auf den Sozialstaat, positiv wie negativ aufzeigen. Nach Meinung des Verfassers stellen informelle Hilfstätigkeiten aus sozialem Aspekt eine sehr begrüßenswerte Sache dar. Wenn diese rein aus Nächstenliebe und Freundschaft, nicht mit finanziellem Hintergedanken, geleistet werden, sollte sie der Staat weiterhin fördern. Ein Problem ist aber der fließende Übergang zur Schwarzarbeit. Da illegal getätigte Arbeitsleistungen gegen Entgelt in der Bevölkerung (ähnlich wie Steuerhinterziehung) häufig als Kavaliersdelikte aufgefaßt werden, ist verstärkt Aufklärung zu leisten über die Folgen für den Staat. Außerdem ist schärfere strafliche Verfolgung der Delinquenten dringend notwendig. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation, hoher Arbeitslosigkeit und finanzieller Engpässe sollte die Regierung ihrer Bevölkerung klar machen, daß jede Mark, die dem Staat entzogen wird, auf andere Weise wieder zurückgeholt werden muß. 6. Literaturverzeichnis ASB Arbeiter Samariter Bund (Hrsg.) (1996): "ASB im Überblick"; http://www.asb-online.de/zivi/nozivi.htmBadelt, C. (1990): "´Unbezahlte Arbeit´ in den Sozialen Diensten"; in: Heinze, R.G. & Offe, C. 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