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Das Bildungswesen und der Arbeitsmarkt auf La Réunion

Autor: Anton Sölch
Arbeitstyp: Exkursionsbericht
Fachbereich: Wirtschaftsgeografie, Universität München
Leitung: Prof. Dr. Jürgen Schmude
Erstellung: Juli 1997
 

Gliederung

1. Das Bildungswesen auf La Réunion
1.1 Einführung
1.2 Grundzüge des französischen Bildungssystem
1.3 Reformierung des Bildungswesens
1.4 Schülerzahlen und Abschlüsse
1.5 Die Université de la Réunion

2. Der Arbeitsmarkt auf La Réunion
2.1 Entwicklung der Beschäftigung
2.2 Qualifikation der Beschäftigten
2.3 Räumliche Verteilung der Arbeitsplätze auf La Réunion
2.4 Erwerbstätigkeit von Frauen
2.5 Altersstruktur der Erwerbstätigen

3. Arbeitslosigkeit
3.1 Entwicklung der Arbeitslosigkeit
3.2 Regionale Differenzierung der Arbeitslosigkeit

4. Literatur

 

1. Das Bildungswesen auf La Réunion

1.1 Einführung

Die Analphabetenrate auf La Réunion betrug Mitte der 1990er Jahre noch etwa 20 %. Etwa 30 Jahre zuvor konnten rund 60 % der Bevölkerung weder lesen noch schreiben. Dieser Anteil konnte aufgrund von massiven Bemühungen im Bereich des Bildungswesens verringert werden. Unter den jungen Leuten sind heute keine Unterschiede mehr zur Analphabetenquote im europäischen Frankreich zu finden. So zeigt sich der Ananphabetismus fast nur mehr als Problem der älteren Menschen.

Abb. 1: Die Analphabetenquote auf La Réunion im Jahre 1990 nach Altersgruppen
Quelle: eigene Darstellung nach Conceil Economique et Social Régional (1994; S. 4)

Aus der Altersstruktur der Bevölkerung geht bereits hervor, daß der Altersgruppe der unter 20-jährigen mit einem Anteil von 40 % an der Gesamtbevölkerung von La Réunion große Bedeutung beizumessen ist (vgl. Abb. 1). Zwar ist für diese Gruppe die Analphabetenquote mittlerweile auf unter 5% gesunken, doch angesichts hoher Arbeitslosenzahlen, die vor allem bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren überproportional hoch ausfällt, stellt sich die Frage nach der Art und der Qualität des Bildungswesens auf La Réunion.

Seit den erheblichen Anstrengungen beim Ausbau der Schulinfrastruktur in den 1960er und 1970er Jahren besteht für die schulpflichtige Bevölkerung auf La Réunion in jeder Gemeinde die Möglichkeit, eine Grundschule zu besuchen. Auch die Versorgung mit den collèges ist mittlerweile flächendeckend. Insgesamt sind auf La Réunion 104 öffentliche und private Bildungseinrichtungen im primären und sekundären Schulwesen vorhanden. Dadurch wird flächendeckend die Möglichkeit zum Erreichen eines allgemeinbildenden Schulabschlusses gewährleistet. Seit dem Jahre 1960 gibt es außerdem die Möglichkeit, auf der “Université de la Réunion" in Saint-Denis verschiedene Fachrichtungen zu studieren. Wegen einiger Unterschiede zum deutschen Schulsystem wird das französische Bildungssystem im folgenden kurz erläutert.

1.2 Grundzüge des französischen Bildungssystem

In ganz Frankreich gilt das Prinzip, daß allen Bürgern der französischen Nation, also auch auf La Réunion, das Recht auf Bildung zusteht. Das unentgeldliche und laizistische, öffentliche Bildungswesen gehört zu den Aufgabenbereichen des französischen Staates, deshalb gilt auch der Begriff der “education nationale". Nach dem freiwilligen Besuch einer école maternelle (vergleichbar dem deutschen Kindergarten) beginnt mit dem sechsten Lebensjahr die Schulpflicht. Die Schulkinder besuchen zunächst fünf Jahre lang die Grundschule (école primaire). Im Alter von elf Jahren wechseln die Schüler auf das collège, einer einheitlichen vierjährigen Sekundarstufe, wobei die letzten beiden Jahre als Orientierungsstufe dienen. Der Schulabschluß des collège ist das brevet. Es besteht aber auch die Möglichkeit, vor dem Schulabschluß vom collège in eine berufsbildende Schulen zu wechseln, um dort in zwei bis drei Jahren das certificat d'apitude professionelle (CAP) zu erwerben. An das collège schließt ggf. eine der beiden in Frankreich existierenden Arten von Gymnasien. Hierbei handelt es sich zum einen um das “traditionelle" Gymnasium (lycée), welches nach drei Jahren mit dem Abitur (baccalauréat) oder einem brevet de technicien abgeschlossen wird und zum anderen um das berufsbildende Gymnasium (lycée professionnel), welches nach zweijährigem Kurs mit dem Abschluß brevet d'études professionelles (BEP) abschließt. An den sekundären Bildungssektor schließt ggf. das Studium in drei Abschnitte (cycles) gegliederte Studium an einer Universität an. Der erste Zyklus (premier cycle) dauert zwei Jahre und schließt mit dem diplôme d'études universitaires générales (DEUG) oder dem diplôme d'études universitaires scientifiques (DEUST). Die Durchfallquote beim DEUG beträgt in Frankreich rund 50 %. Dem ersten Zyklus schließt sich der ebenfalls zwei Jahre dauernde zweite Zyklus (deuxieme cycle) an, der mit der maîtrise abschließt. Des weiteren gibt es in Frankreich die grandes écoles, die als Elitehochschulen eine Besonderheit des französichen tertiären Bildungssektors darstellen (vgl. Haensch und Tümmers, 1993, S.260).

Der Unterricht auf La Réunion wird schon in der Grundschule durch das Mutterland Frankreich bestimmt. Dies drückt sich vor allem durch die Unterrichtssprache aus, die wie die Amtssprache französisch ist, obwohl große Teile der Bevölkerung - speziell im Inselinneren und im Südosten der Insel - kreolisch sprechen und als Umgangssprache häufig in den Familien verwenden. Mit dem Eintritt in die Grundschule (premier degré) folgt für viele réunionnesische Kinder eine grundlegende Umstellung. Dabei fällt die Einschulung weniger ins Gewicht als vielmehr die Tatsache, daß die Mehrheit der Schüler nur die französische Sprache nur unvollständig bzw. fehlerhaft beherrscht. Zusätzlich muß berücksichtigt werden, daß ein Teil der Lehrkräfte aus dem französischen Mutterland kommt und mit dem créol kaum oder gar nicht vertraut ist.

1.3 Reformierung des Bildungswesens

Das Schul- und Hochschulwesen in Frankreich ist im Vergleich zum deutschen Schulwesen deutlich stärker auf Auslese und Elitebildung ausgelegt. Auf La Réunion war und ist teilweise heute noch üblich, daß die Bildungselite aus dem französischen Mutterland kommt. Diese besetzen v.a. die Positionen in den oberen Verwaltungsbereichen. Vor dem Jahre 1960 mußte alle Réunionesen, die studieren wollten, auf das französische Festland gehen. Angesicht der damals herrschenden Analphabetenquote von rund 60 % waren die Bildungsdefizite auf La Réunion unübersehbar. In den folgenden Jahren hat man nicht nur auf La Réunion, sondern auch in Frankreich zahlreiche Schul- und Hochschulreformen unternommen. Der alarmierenden Zahl der Analphabeten konnte durch Maßnahmen im Bildungssektor entgegengewirkt werden. Im primären und sekundären Bildungssektor wurde die Schulinfrastruktur ausgebaut, die Aufnahmekapazität der bestehenden Bildungseinrichtungen ausgeweitet und neue Lehrstellen geschaffen. Mit der Errichtung einer Universität auf La Réunion wurden außerdem Anstrengungen im tertiären Bildungsbereich unternommen. Infolge dieser Verbesserungsmaßnahmen und der weiteren Einführung neuer Studiengänge konnte die Zahl der Studenten in St. Denis stark gesteigert werden. Im Rückblick auf die Entwicklung im Bildungswesen auf La Réunion kann man konstatieren, daß das Bildungswesen seit den 1960er Jahren eine erhebliche Verbesserung im Bezug auf die Ausstattung und Inanspruchnahme erfahren hat. Um jedoch eine ausreichende Bildung in der Gesamtbevölkerung - gerade vor dem Hintergrund hoher Arbeitslosigkeit und weiter zunehmender Tertiärisierung - zu erreichen, werden noch Jahre bzw. Jahrzehnte vergehen. Dies zeigt sich u.a. in der niedrigen Zahl der erreichten Schul- und Bildungsabschlüsse (vgl. Schmude 1995, S. 81), d.h. die Abbrecherquoten fallen auf La Réunion überproportional im Vergleich zum Mutterland aus.

1.4 Schülerzahlen und Abschlüsse

Die Volkszählung aus dem Jahr 1990 hat ergeben, daß 77,8 % der 15- bis 19-jährigen Jugendlichen noch in einer der verschiedenen Stufen des Bildungswesens integriert sind. Mit zunehmender Alter zeigt sich dabei ein starker Rückgang der Verschulungsrate. So absolvierten nur noch zwei Drittel aller 18-Jährigen und noch kanpp die Hälfte der 19-Jährigen eine der Bildungseinrichtungen (vgl. INSSE 1994, S. 107). In den öffentlichen und privaten Schulen waren im Schuljahr 1995/6 in der ersten und zweiten Stufe rund 213.000 Schüler eingeschrieben, wobei die privaten Schulen auf La Réunion von nur geringer Bedeutung sind. Parallel zur wachsenden Bevölkerung stieg auch im Vergleich zu den Vorjahren die Zahl der Schüler. So besuchten im Schuljahr 1995/6 mit 93.968 Schülern 1687 mehr die zweite Stufe (collèges und lycées) des französischen Bildungssystems als im Schuljahr 1994/5 (vgl. IEDOM, 1996; S. 18). Aus Sicht der Schulabschlüsse zeigte sich allerdings gerade in der zweiten Bildungsstufe ein widersprüchliches Bild. Trotz steigender Schülerzahlen waren nur unwesentlich mehr Schulabschlüsse zu verzeichnen. Eine Steigerung der Effektivität des Bildungssystems wurde demnach noch nicht erreicht.

Während 1948 lediglich 43 Schüler die Abiturprüfung erfolgreich absolvierten, waren es im Jahre 1991 bereits mehr als 2000, und im Jahr 2000 werden es voraussichtlich mehr als 5600 sein. Einer von zwei Réunionesen eines Jahrgangs besucht ein collège, 34 % einer Altersstufe machen das Abitur, aber 36 % der Jugendlichen verlassen die Schule ohne einen Abschluß (vgl. EREDI, 1991, S. 20f). Beispielsweise haben von den 12.500 Schülern, die 1995 die zweite Bildungsstufe verlassen haben, rund 45 % keinen Abschluß. Allerdings sinkt auch die Abbrecherquote allmählich, denn der Prozentsatz der drop-outs lag im Jahre 1987 noch bei 61,6 %. Dennoch verbleibt die Zahl der Mißerfolge immer noch sehr hoch. Außerdem gelingt es auch den erfolgreich abschließende Jugendlichen nur zum Teil, in den Arbeitsmarkt einzutreten. Mehr als ein Drittel von ihnen führt die Ausbildung an Bildungszentren (centres de formation), die nicht vom nationalen Bildungssystem abhängig sind (z.B. écoles privées, institus consulaires), fort oder beginnt ein Studium an der Universität (vgl. IEDOM, 1996, S. 18).

Die steigende Zahl derjenigen, die das Abitur anstreben (7734 im Jahr 1995 gegenüber 7515 im Vorjahr) kann nicht das Problem überdecken, daß die Zahl der die Prüfung Bestehenden immer noch relativ niedrig ist. Weniger als die Hälfte eines Altersjahrgangs erreicht die letzte Klasse des Gymnasiums (terminale), der Anteil der Abiturenten einer Altersstufe liegt derzeit bei knapp 40 % (gegenüber 63 % auf dem französischen Festland). Immerhin zeigen diese Zahlen ebenfalls seit Jahren einen positiven Trend (vgl. IEDOM, 1996, S. 18).

Abb. 2: Entwicklung der Examens- und Diplomabschlüsse 1991 bis 1995

1991 1992 1993 1994 1995 Abitur (Baccalauréat) 3.345 3.696 4.061 4.709 4.595 Bac général 1.727 2.007 2.307 2.809 2.418 Anteil mit Abschluß 65,2 % 60,1 % 60,7 % 65,7 % 57,5 % Bac technique 1.201 1.201 1.194 1.256 1.551 Anteil mit Abschluß 57,0 % 53,6 % 52,5 % 55,7 % 63,7 % Bac professionnel 416 487 559 643 625 Anteil mit Abschluß 60,5 % 66,1 % 66,2 % 65,3 % 59,8 % Andere techn. Examen 5.261 5.006 5.830 5.629 6.554 Tous CAP 2.999 2.843 3.099 2.999 3.735 Anteil mit Abschluß 55,6 % 55,9 % 59,5 % 58,3 % 65,9 % Tous BEP 1.917 1.827 5.590 2.181 2.276 Anteil mit Abschluß 48,6 % 43,1 % 51,2 % 49,0 % 48,3 % Tous BTS 345 336 441 449 543 Anteil mit Abschluß 49,4 % 43,1 % 46,3 % 46,0 % 47,5 % Universitätsdiplom (1) 1.094 1.339 1.567 1.717 2.001 Bac + 2 662 755 745 874 885 Bac + 3 329 511 652 712 938 Bac +4 103 73 170 131 178 Quelle: IEDOM (1996, S. 18).

Im Jahre 1990 konnten ungefähr zwei von drei Réunionesen im Alter von 25 bis 59 Jahre kein diplôme nachweisen. Nur 13,1 % erhielten ein dem Abitur gleichbedeutendes oder höher einzustufendes Diplom. Die größten Fortschritte betreffen die Partizipation der jüngeren Bevölkerungsgruppen am Bildungswesen. Es wird allerdings noch einige Jahre dauern, bis sich diese Effekte signifikant auf die Gesamtheit der Bevölkerung auswirken werden (vgl. Conseil Economique et Social Regional 1994, S. 4). Ähnliches ist auch für die Universität zu beobachten.

1.5 Die Université de la Réunion

Die im Jahre 1960 gegründete Universität in St. Denis wies bis Ende der 1970er Jahre noch recht niedrige Studierendenzahlen auf. Im Jahre 1965 betrug ihre Zahl rund 400, zehn Jahre später waren es bereits ca. 1600 und Ende der 1970er Jahre waren etwa 1900 Studierende eingeschrieben. Seit Beginn der 1980er Jahre erfuhr die Universität eine deutlich steigende Nachfrage. Dem Conseil Economique (1994, S. 4) zufolge hat sich die Zahl der Studierenden bis zum Jahre 1992 auf rund 6000 Studierende erhöht. Es ist abzusehen, daß sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Für das Jahr 2000 werden etwa 17.000 Studierende erwartet. Parallel dazu haben sich zwischen 1985 und 1992 die Universitätsabschlüsse (Diplom) verfünffacht. Im Jahre 1992 haben 510 Jugendliche Diplomprüfung mit Erfolg bestanden. Im Jahre 2000 werden es 1300 sein.

Abb. 3: Entwicklung der Studentenzahlen nach Fachrichtung 1965 bis 1992
Quelle: Université de la Réunion (1993, S. 22)

Mit Ausnahme von Medizin kann an der Universität auf La Réunion nahezu jedes Studium aufgenommen werden. Wie aus der vorangegangenen Abbildung hervorgeht, waren bis Anfang der 1980er Jahre Wirtschafts- und Rechtswissenschaften dominierend, wobei die Geisteswissenschaften sich deutlich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Daneben wuchs im selben Zeitraum die Zahl der Studierenden in naturwissenschaftlichen Fächern ähnlich stark an.
 

2. Der Arbeitsmarkt auf La Réunion

2.1 Entwicklung der Beschäftigung

In den letzten Jahrzehnten ist auf La Réunion ein enormes Bevölkerungswachstum festzustellen (vgl. Abb. 4). Dieser Trend hält bis heute an. Allein zwischen 1982 und 1990 erhöhte sich der Anteil der 15- bis 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung um mehr als 5% auf 60,3 %. In der Folge ist ebenso die Zahl der Erwerbspersonen kontinuierlich angewachsen, immer mehr potentielle Arbeitskräfte drängten auf den Arbeitsmarkt. Im Jahre 1982 zählte die Insel 176.142 Erwerbspersonen, zwölf Jahre später waren es schon 270.300 Personen, was einen durchschnittlichen jährlichen Anstieg von rund 3,6 % bedeutete. Rund 174.000 der im Jahre 1994 als Erwerbspersonen gemeldeten sind tatsächlich erwerbstätig (64,4 %), demnach sind 35,6 % aller Erwerbspersonen als Arbeitslose registriert (vgl. Kapitel 3).

Abb. 4: Entwicklung der Zahl der Erwerbspersonen auf La Réunion in den Jahren 1982 bis 1994

1982 1990 1994 Erwerbspersonen 176142 233622 270300 Quelle: IEDOM (1996; S. 14)

La Réunion verfügt über einen sehr einseitig ausgerichteten Arbeitsmarkt, der sich in den letzten Jahrzehnten sehr stark gewandelt hat. Der Anteil der Beschäftigten im primären und sekundären Sektor ist heute jeweils sehr niedrig, die meisten Arbeitsplätze entfallen auf den Dienstleistungssektor.

Bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die réunionesische Wirtschaft durch den primären Sektor bestimmt. In den letzten Jahrzehnten hat die Landwirtschaft allerdings einen erheblichen Bedeutungsverlust erfahren. Bis Anfang der 1950er Jahre entfielen mehr als die Hälfte aller Beschäftigten auf den primären Sektor. Im Jahre 1967 stellte dieser Sektor noch knapp ein Drittel der Arbeitsplätze des gesamten Arbeitsmarktes. Seit Ende der 1980er Jahre liegt dieser Anteil unter 10 % bei weiter rückläufigem Trend (vgl. Abb. 5). Allein zwischen 1954 und 1990 hat die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen von 43.500 auf 13.000 abgenommen.

Abb. 5: Die Entwicklung der Beschäftigtenanteile nach Wirtschaftssektoren auf La Réunion in den Jahren 1946 bis 2000 (Angaben in Prozent)

1946 1954 1961 1967 1974 1982 1987 1990 2000 Primärsektor 65 50 43 29,5 21,1 14,7 9,3 7,7 4,0 Sekundärsektor 15 20 21 21,9 17,7 16,2 23,1 19,1 18,0 Tertiärsektor 20 30 36 48,6 57,5 68,4 67,7 74,7 78,0 Quelle: Conseil Economique et Social Régional (1994, S. 3) und Jadin (1994, S. 131)

Der Bedeutungsrückgang der Landwirtschaft ist v.a. durch die sehr starke Ausrichtung auf den Zuckerrohranbau zurückzuführen. Auf dem Weltmarkt ist dieser wegen zu hoher Kosten kaum konkurrenzfähig. Außerdem ist die Landwirtschaft durch die Zugehörigkeit zu Frankreich allen EU-Limitierungen unterworfen. Dabei ist zu beachten, daß die meisten Arbeitskräfte außerdem - ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - nur für die Erntesaison von Juli bis Dezember eingestellt werden (vgl. Kapitel 3). Den Statistiken von INSEE (1995; S. 15) zufolge liegt der Anteil der Beschäftigten im primären Sektor für das Jahr 1993 nur bei 1,1% aller Erwerbstätigen. Dies ist darauf zurückzuführen, daß in dieser Statistik die Selbständigen und nicht dauerhaft Beschäftigten nicht berücksichtigt werden.

Der sekundäre Sektor ist bis heute nur von untergeordneter Bedeutung. Auf diesen Bereich entfallen weniger als 20 % der Erwerbstätigen, wobei sich dieser Wert in den letzten Jahrzehnten nur wenig verändert hat. Die geringe Bedeutung ist v.a. darauf zurückzuführen, daß auf La Réunion kaum Industriebetriebe vorhanden sind und dadurch sehr viele Waren aus Frankreich eingeführt werden müssen. Die Zahl der in der Industrie Beschäftigten nahm außerdem immer mehr ab. Dagegen hat das Handwerk an Bedeutung gewonnen. Allein zwischen 1987 und 1991 ist beispielsweise die Zahl der Handwerksbetriebe von 5569 um mehr als 50 % auf 8677 Betriebe angestiegen (vgl. Conseil General 1992; S. 37). Allerdings sind hieran aufgrund der kleinbetrieblichen Struktur des Handwerks nur relativ wenige Arbeitsplätze gebunden.

Der tertiäre Sektor ist die mit Abstand der wichtigste Wirtschaftssektor und Arbeitgeber auf der Insel. Dieser wuchs v.a. seit den 1960er Jahren zu Lasten des primären Sektors stetig an, in den letzten drei Jahrzehnte allein um mehr als 30% auf rund 79 % im Jahre 1993. Unter den Beschäftigten (ohne Selbständige) lag der Anteil des Dienstleistungssektors im Jahre 1993 sogar bei 83 % (vgl. INSEE 1995; S. 15). Auch in Zukunft wird ein steigender Anteil der Beschäftigten im tertiären Sektor prognostiziert. Einer der Hoffnungsträger ist dabei der Tourismus, für den ein steigendes Arbeitsplatzangebot erwartet wird.

2.2 Qualifikation der Beschäftigten

Auf La Réunion ist im Vergleich zu Métropole noch immer ein allgemeines Bildungsdefizit festzustellen (vgl. Kapitel 1.3), welches durch die Schul- und Hochschulreformen seit den 1970er Jahren erst langsam abgebaut wird. Immerhin ist unter den jungen Bevölkerungsgruppen eine Angleichung an das Bildungsverhalten der “Festlandfranzosen" zu erkennen. Vergleichbare Tendenzen zeigen sich noch nicht hinsichtlich der Qualifikationsstrukturen der Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt. Der Anteil der eher niedrig Qualifizierten, ungelernten Arbeiter und Landwirte liegt auf der Insel bis heute deutlich höher als in Métropole, gleiches gilt für den Anteil der mittleren Angestellten im Staatsdienst. Dagegen verzeichnet die Insel im Vergleich zum Mutterland einen deutlich geringeren Anteil leitender Angestellter sowie mittlerer Angestellter in der Privatwirtschaft.

Abb. 6: Vergleich der Qualifikationen der Beschäftigten auf La Réunion und auf dem französischen Festland im Jahre 1990 (Angaben in Prozent)

Qualifikation La Réunion Métropole Landwirte 5,9 4,4 Handwerker und Kaufleute 7,5 7,6 leitende Angestellte 7,3 11,8 mittlere staatlich Angestellte 10,7 8,6 mittlere privat Angestellte 4,9 11,5 einfache staatlich Angestellte 15,0 10,4 einfache privat Angestellte 18,7 16,2 Facharbeiter 11,4 15,1 ungelernte Arbeiter 18,6 14,4 Quelle: Conseil Economique et Social Régonal (1994; S. 3)

Eine besondere Rolle nimmt auf der Insel der Staat als Arbeitgeber ein. Neben den einheimischen Beamten werden zwischen 8.000 und 10.000 Fachleute aus dem europäischen Frankreich eingesetzt, die meist nach vier bis sechs Dienstjahren ins Mutterland zurückkehren. Diese besetzen in der Regel die höheren und höchsten Posten der Verwaltungen. Außerdem steht den Verwaltungsbehörden ein aus Paris entsandter Staatskommissar vor. Für ihren Arbeitseinsatz fernab dem französischen Festland erhalten diese Arbeitskräfte zusätzlich eine finanzielle Aufwandsentschädigung.

2.3 Räumliche Verteilung der Arbeitsplätze auf La Réunion

Die meisten Erwerbspersonen und Arbeitsplätze auf La Réunion konzentrieren sich auf die Gunsträume der Insel, die auch die höchste Einwohnerdichte aufweisen, also die Nord- und Nordostküste sowie die gesamte Westküste. Dabei entfallen allein mehr als ein Fünftel aller Erwerbspersonen auf die Haupstadt St. Denis, die gleichzeitig auch die niedrigste Arbeitslosenquote aufweist.

Im Inselinneren sind mit Ausnahme von Le Tampon insgesamt deutlich weniger Erwerbspersonen je Gemeinde vorzufinden als in den genannten Küstenregionen. Dies ist vor allem auf die für die Besiedlung und Wirtschaft wirksamen natürlichen Ungunstfaktoren zurückzuführen. Die Ausnahme bei Le Tampon resultiert aus der beträchtlichen Bedeutung dieser Gemeinde für die Inselversorgung mit Fleisch, da sich dort nahezu die gesamte Viehmastwirtschaft der Insel konzentriert und hierdurch viele Personen in der Landwirtschaft beschäftigt sind. Im Südosten der Insel sind insgesamt sehr wenig Erwerbspersonen zu finden, was vornehmlich auf die ungünstige durch den Piton de la Fournaise bedingte Siedlungsstruktur verursacht wird.

Nur vier Gemeinden der Insel weisen einen Überschuß beim Vergleich der Zahl der angebotenen Arbeitsplätze zur Zahl der Erwerbstätigen auf (vgl. Abb. 7). Der deutlich höchste Arbeitsplatzüberschuß existierte im Jahre 1990 in der Gemeinde Le Port. Der durch Einpendler wahrgenommene Arbeitsplatzüberschuß erreichte hier 54 %. Auch in St. Pierre (34%), in St. Denis (20%) sowie in St. Benoit (3%) wiesen im Jahre 1990 einen solchen Überschuß auf. Dagegen existierte in den Gemeinden Les Avirons, Ste Suzanne, Entre-Deux und insbesondere La Possession gemessen an der Zahl der Arbeitsplätze ein Überschuß der Erwerbstätigen.

Abb. 7: Angebotene Arbeitsstellen je 1000 Erwerbstätige im Jahre 1990

Gemeinde Arbeitsstellen je

1000 Erwerbstätige Gemeinde Arbeitsstellen je

1000 Erwerbstätige

Avirons 632 Saint-Denis 1195

Bras-Panon 686 Saint-Joseph 895

Cilaos 826 Saint-Leu 800

Entre-Deux 616 Saint-Louis 920

Etang-Sale 694 Saint-Paul 842

La Possession 549 Saint-Philippe 917

Le Port 1542 Saint-Pierre 1342

Le Tampon 769 Sainte-Marie 857

Petit-Ile 709 Sainte-Rose 874

Plaine des Palmistes 715 Sainte-Suzanne 630

Saint-Andre 799 Salazie 905

Saint-Benoit 1025 Trois-Bassins 691

Quelle: INSEE (1994; S. 110)

Aus dieser räumlichen Verteilung resultieren die größten Pendlerströme vor allem in die wirtschaftlichen Gunsträume im Norden und Westen von La Réunion. Folgen der hohen Zahl von Aus- bzw. Einpendlern sind beträchtliche Verkehrs- und Abgasprobleme, denn die Distanzüberwindung zwischen Wohn- und Arbeitsplatz erfolgt überwiegend durch Individualverkehr. Der PKW-Besatz ist auf der Insel insbesondere seit den 1980er Jahren beträchtlich angestiegen. Das lokale, öffentliche Busnetz wird dagegen relativ wenig genutzt, ein Eisenbahnnetz gibt es nicht mehr. Die Folge sind “verstopfte" Straßen auf den An- und Abfahrtswegen sowie erhebliche Luftbelastungen in den betroffenen Gemeinden. Dies gilt z.B. für Le Port, das vor allem Pendlerzuströme aus La Possession und Saint-Paul aufnimmt (vgl. INSEE 1994, S. 110). Auch nach Ste Marie und St. Pierre pendeln rund 40 % aller dort Beschäftigten aus umliegenden Gemeinden ein. Dagegen arbeiten knapp zwei Drittel der in La Possession wohnhaften Erwerbstätigen in umliegende Gemeinden. In Ste Suzanne, Etang-Salé, Bras-Panon und Ste Marie pendeln ebenso mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen täglich in andere Gemeinden zu ihrem Arbeitsplatz. Die wenigsten Auspendler verzeichnet St. Denis.

2.4 Erwerbstätigkeit von Frauen

Der überwiegende Teil der Erwerbstätigen auf La Réunion ist männlich. Rund 31 % der männlichen Bevölkerung gehen einer Arbeit nach, ebenso 18 % der Frauen. Dabei hat die Erwerbstätigkeit von Frauen auf La Réunion im vergangenen Jahrzehnt erheblich an Bedeutung gewonnen. Dabei weist die Verteilung der durch Frauen besetzten Arbeitsplätze erhebliche räumliche Disparitäten auf.

Abb. 8: Erwerbsaktivität und Arbeitslosigkeit nach Geschlecht im Jahre 1990

Männer Frauen erwerbstätig 30,8 % 18,3 % arbeitslos 15,6 % 13,3 % nicht aktiv 53,6 % 68,4 % Quelle: Conseil Economique et Social Régonal (1994; S. 3)

Bei regionaler Differenzierung der Erwerbsquote von Frauen sind in Abb. 9 lediglich drei Gemeinden mit einer Quote von über 46 % zu erkennen. Wenig verwunderlich ist dabei die Sonderrolle von St. Denis. Als Inselhauptstadt mit der größten Einwohnerzahl sind dort die meisten erwerbstätigen Frauen vorzufinden. Die kleine Gemeinde Saint-Philippe unterhalb des Vulkans Piton de la Fournaise weist zwar ebenso eine Frauenerwerbsquote von über 46 % auf, doch resultiert diese Zahl aus der ernorm hohen Frauenarbeitslosigkeit von über 60 %. Insgesamt sind in den Gemeinden in der Südhälfte der Insel allgemein niedrigere Frauenerwerbsquoten vorzufinden. Dies ist auf das Gefälle zwischen dem wirtschaftlich besser entwickelten Norden und dem ökonomisch eher unbedeutenden Süden zurückführen.

Abb. 9 (Karte): Arbeitslosigkeit in den einzelnen Gemeinden
Quelle: INSEE

Alle Gemeinden auf La Réunion ist gemeinsam, daß mit 80 % bis 85 % ein überdurchschnittlich hoher Anteil der erwerbstätigen Frauen in Dienstleistungs-, Handels- oder Verkehrsberufen tätig ist. In den Gemeinden im nördlichen Küstenbereich ist im Gegensatz zum südlichen teil der Insel nur ein sehr geringer Frauenanteil im Agrarbereich tätig. Frauenarbeitsplätze im Bereich Industrie und Gewerbe konzentrieren sich auf die größeren Gemeinden, die auch infrastrukturell gut ausgestattet sind, also auf St. Denis, Le Port, St Paul, Le Tampon und St. Pierre.

2.5 Altersstruktur der Erwerbstätigen

Als Folge der hohen Geburtenrate der letzten Jahrzehnte und des hieraus resulturienden Altersaufbaus der Bevölkerungsentwicklung sind überdurchschnittlich viele Erwerbspersonen sehr jung. Zwar fällt der Anteil der unter 20-jährigen mit rund 4,5 % gering aus, was u.a. auf den zunehmenden Verschulungsgrad auch bei den “älteren" Jahrgängen (sekundärer und tertiärer Bildungsabschnitt) zurückzuführen ist, doch stellen allein die 20 bis 39-Jährigen rund zwei Drittel aller Erwerbspersonen. Die 40 bis unter 60 Jahre alten Erwerbstätigen stellen dagegen nur mehr 27,7 % aller Erwerbspersonen.

Zwischen den einzelnen Gemeinden fallen bei der Altersstruktur der Erwerbspersonen (vgl. Abb. 9) insgesamt nur geringe Unterschiede auf. Tendenziell läßt sich sagen, daß in Gemeinden mit relativ niedriger Arbeitslosigkeit (vgl. Kapitel 3) die Erwerbspersonen eher älter sind als in den Gemeinden mit höherer Arbeitslosigkeit, d.h. in St. Denis, Petite-Ile und Le Tampon ist der erwerbsaktive Bevölkerungsanteil älter als im Inseldurchschnitt. Erwerbspersonen im Alter von 60 und mehr Jahren erreichen insgesamt nur sehr geringe Anteile, die zwischen den einzelnen Gemeinden kaum schwanken. Die höchsten Anteile werden in La Possession, St. Denis und in Petite-Ile erreicht (jeweils rund 2 %), also in Gemeinden mit relativ niedriger Arbeitslosigkeit. Der mit Abstand niedrigste Anteil entfällt auf St. Philippe (0,4 %). Die relativ jüngste Erwerbsbevölkerung findet man in Le Port, St. Philippe, Trois Bassins und St. André vor (jeweils rund 75 % unter 40 Jahren). Der Arbeitsmarkt auf der Insel ist darüber hinaus geprägt von einer enorm hohen Arbeitslosigkeit, die stets deutlich über jener im Mutterland liegt.
 

3. Arbeitslosigkeit

3.1 Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Zu Beginn der 1960er Jahre war Arbeitslosigkeit auf La Réunion praktisch noch unbekannt. Häufig wurde eventuelle Arbeitslosigkeit durch ausgeprägten Familiensinn und -hilfen verschleiert. Außerdem wich eine nicht unerhebliche Zahl von Arbeitskräften auf den Arbeitsmarkt der Métropole aus. Erst in den letzten Jahrzehnten trat das Problem der Arbeitslosigkeit immer mehr in den Vordergrund. Mittlerweile hat La Réunion, ähnlich wie die anderen französischen Überseedépartements, eine sehr hohe Arbeitslosigkeit zu beklagen. Die Arbeitslosenquote ist bis auf 37 % im Jahr 1993 angestiegen und war damit beinahe viermal so hoch wie auf dem französischen Festland. Erst in den letzten Jahren erfährt die Quote durch verschiedene Hilfsmaßnahmen einen leicht rückläufigen Trend.

Abb. 10: Entwicklung der Arbeitslosenquote von 1982 bis 1994 auf La Réunion im Vergleich zum französischen Festland

1982 1990 1993 1994 La Réunion 31,0 % 36,9 % 37,0 % 35,6 % Métropole 7,9 % 9,5 %

Quelle: Jadin (1994; S. 152) und Conseil Economique et Social Régonal (1994; S. 3)

Die hohe Arbeitslosigkeit ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Der Rückgang der traditionellen Tätigkeitsbereiche im Agrarbereich ist sicher nicht die Hauptursache, wobei zu beachten ist, daß viele der Arbeitskräfte im primären Sektor nur für die Erntesaison von Juli bis Dezember eingestellt werden, ohne Anspruch auf Arbeitsplatzsicherheit und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. In der übrigen Zeit entstehen dem Staat hohe soziale Kosten durch finanzielle Unterstützungen. Die Arbeitsplatzverluste der letzten Jahrzehnte im primären Sektor konnten v.a. durch den Dienstleistungssektor mehr als kompensiert werden, so daß insgesamt ein gestiegenes Arbeitsplatzangebot festzustellen ist. Allerdings ist das Arbeitskräfteangebot aufgrund des enormen Bevölkerungswachstum schneller gewachsen als das Arbeitsplatzangebot auf dem Arbeitsmarkt der Insel. Der Anstieg des Arbeitsplatzangebots erreichte zwischen 1974 und 1990 rund 34 %, die erwerbsaktive Bevölkerung nahm im gleichen Zeitraum jedoch um rund 76 % zu. Außerdem wichen immer weniger Réunionesen auf den Arbeitsmarkt des französische Mutterlands aus, was auf die wirtschaftliche Rezession in Europa zurückzuführen ist.

Ein weiterer Grund für die hohe Arbeitslosigkeit ist die geringe Bedeutung des sekundären Sektors auf der Insel, so daß diese in vielen Bereichen vom Festland aus versorgt werden muß, was zu einem erheblichen Importüberschuß führt (vgl. Kapitel 2). Weiter ist zu beachten, daß die Gehälter auf La Réunion im Vergleich zum französischen Festland unterdurchschnittlich ausfallen. Diese liegen häufig kaum über dem französischen Sozialhilfesatz, so daß viele Erwerbspersonen (v.a. Jugendliche) kaum einen Anreiz verspüren, einer “schlecht" bezahlten Tätigkeit nachzugehen. Statt dessen beziehen diese dann Unterstützungszahlungen und Sozialleistungen vor allem der RMI (Revenu Minimum d'Insertation). Rund ein Viertel der Bevölkerung kommt in den Genuß dieser Leistungen, wobei v.a. niedrig Qualifizierte und Analphabeten überproportional häufig unter den Emfängern der Sozialleistungen zu finden sind. “Mit durchschnittlich 2097 FF entfielen auf La Réunion im Jahre 1989 etwa dreimal soviel Sozialhilfe des départements (aide sociale départementale) auf jeden Einwohner wie im Mutterland" (SCHMUDE, 1995, S. 80). Die hohe Zahl von nichtehelich geborenen Kindern (allein 47 % aller 1990 geborenen Kinder) ist ein weiterer Hinweis auf die starke Abhängigkeit großer Bevölkerungsschichten von staatlichen Unterstützungen. Viele Paare mit Kindern ziehen es vor, unverheiratet zu bleiben, um in den Genuß von Zahlungen für ledige Mütter zu kommen.

3.2 Regionale Differenzierung der Arbeitslosigkeit

Hinsichtlich der regionalen Verteilung der Arbeitslosigkeit läßt sich auf der Insel im wesentlichen zwei Bereiche unterscheiden (vgl. Abb. 9): die Nordhälfte mit (für die Inselverhältnisse) relativ niedriger Arbeitslosigkeit (größtenteils deutlich unter 40 %; einzige Ausnahmen: St. André mit 41,5 % und Salazie mit 51 %) und die Südhälfte mit höherer Arbeitslosigkeit (größtenteils über 40 %; davon ausgenommen sind nur die Gemeinden Le Tampon mit 34 % und Petite-Ile mit 31,4 %). Auffällig ist, daß in St. Denis (25,8 %) und in den beiden angrenzenden Gemeinden La Possession (28,2 %) und Ste. Marie (31,4 %) die niedrigsten Arbeitslosenquoten der Insel vorherrschen. Dies ist auf die überragende wirtschaftliche Bedeutung des Inselnordens zurückzuführen, wobei die Inselhauptstadt sowohl als Industrie- und Wirtschaftszentrum als auch durch nahezu alle Verwaltungs- und Kommunalfunktionen eine besondere Stellung einnimmt. Lediglich Petite-Ile und Le Tampon im Süden erreichen ähnlich niedrige Arbeitslosenquoten. Die Ursachen hierfür liegen - wie bereits angeführt - in deren großer landwirtschaftlichen Bedeutung für die Insel. Die Viehwirtschaft ist deutlich ertragreicher als der Zuckerrohranbau und insgesamt stärker auf den Inselbedarf ausgelegt, so daß kaum Absatzschwierigkeiten auftreten. Die höchsten Arbeitslosenquoten weisen die Gemeinden mit den räumlich ungünstigsten Voraussetzungen auf. Dies sind vor allem Gemeinden in den dünn besiedelten Cirques (Cilaos mit 46,9 %; Salazie mit 51 %), die ohnehin nur ein geringes Arbeitsplatzangebot aufweisen, sowie in den ebenfalls dünn besiedelten Gemeinden rund um den Piton de la Fournaise im Südosten der Insel (St. Joseph mit 48,2 %; Ste Rose mit 48,6 %; St. Philippe mit dem Inselmaximum von 52,4 %), die ebenfalls nur über ein geringes Arbeitsplatzangebot verfügen.
 

4. Literatur

CONSEIL ECONOMIQUE ET SOCIAL RÉGIONAL (Hrsg.) (o.J.): L'Enjeu Demographique. Ste Clotilde.

EREDI (Hrsg.) (1991): Formation et développement. Les cahiers de l`EREDI , No 14, août 1991. St. Denis.

GROSSE, E.U./LÜGER, H.-H. (1996): Frankreich verstehen. Darmstadt.

HAENSCH, G./TÜMMERS, H.J.(1993): Frankreich. München.

INSEE und CAFOC (Hrsg.) (1989): Formation - Analphatétisme. Les dossiers de l´economie réunionaise No 10. Ste Clotilde. (Seiten oder ganzes Heft?)

INSEE (Hrsg.) (1992): Le Département et ses communes. Récensement général de la population de 1990. Population - Activité - Ménages. Paris.

INSEE (Hrsg.) (1994): La Réunion et ses communes. Les dossiers de l´economie réunionaise No 35. Paris. (Seiten oder ganzes Heft?)

INSEE (Hrsg.) (1995): Estimation de l´emploi par secteur d´activité (1989-1993). Les dossiers de l´economie réunionaise No 42. Paris.(Seiten oder ganzes Heft?)

INSTITUT D´EMISSION DES DÉPARTEMENTS D´OUTRE-MER (IEDOM) (1996): La Réunion en 1995. Rapport annuel, Siège Social. Paris

JADIN, P. (1994): Die DOM-TOM - Frankreichs integrierte Dritte Welt; Dissertation Universität Erlangen-Nürnberg; o.A.

SCHMUDE, J. (1995): Die Entwicklung des Tourismus auf La Réunion - eine Analyse unter Berücksichtigung der natürlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. In: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft München, Band 80, S. 73-88.

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